Simone Di Stefano lehnt lässig am Fenstersims der kleinen Palazzina in der Via del Colosseo in Rom. Unter ihm hängt ein großes Plakat mit dem Konterfeit Virginia Raggis, der Bürgermeisterin der Stadt. Darauf zu lesen ein Spruch aus dem Wahlkampf: »Wir werden keine Zwangsräumungen durchführen und den Besetzern dabei helfen, eine andere Bleibe zu finden.«
Einen Tag später wird Di Stefano, Vizepräsident von CasaPound und ehemaliger Kontrahent Raggis um das Amt des Bürgermeisters, in Handschellen abgeführt. Mit ihm werden 15 weitere Aktivisten sowie einer der Anwohner verhaftet und von Polizisten weggefahren.
»Wenn es um Italiener geht, hat der Staat keinen Bedarf an Vermittlung.« (Simone di Stefano in der Mainstream-Zeitung La Verita)
Die kleine Straße, gelegen mitten im historischen Stadtteil Monti, zwischen Kolosseum und der Piazza Venezia, wo des Abends flanierende Touristen den Grad zwischen Nepp und Authentizität wagen und weinselige Studenten die gemütlichen Plätzchen zu Feiermeilen umfunktionieren, ist mit Flatterband abgesperrt. Mehl und Müll liegen auf der Straße. Der Einsatzleiter, ein Spezialist für Zwangsräumungen mit dem Spitznamen »Pistolero«, wirft Möbel aus dem Fenster. Unter dem mittlerweile von Wasser und Geraufe ramponierten Plakat der Bürgermeisterin Raggi führen Polizisten eine offensichtlich gehbehinderte Seniorin in Richtung der wartenden Polizeibusse.
»Wir waren dort, um ein Exempel zu statuieren: die Italiener zu verteidigen und die Trikolore wehen zu lassen. Bis zum Schluss!« (Simone Di Stefano im Interview mit der CasaPound-nahen Onlinezeitung Il Primato Nazionale)
Was war passiert? Zwei italienische Familien, darunter auch Rentner mit Mindestpension sowie ein behinderter Junge, wurden zwangsgeräumt. Einige der Betroffenen lebten dabei schon seit über 30 Jahren in der verwitterten Palazzina, einem kleinen Haus unweit des Forum Romanum. Zwar wurde das Haus, dessen Wohneinheiten eher kärglichen Buden denn luxuriösen Innenstadtappartements gleichen, auch damals besetzt; die Bewohner hatten jedoch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, der Stadt Rom eine Art Entschädigung zu zahlen, um die Besetzung auf diesem Wege zu legalisieren. Ein Verfahren, das in Rom nicht nur nicht unüblich, sondern sogar durch kommunale Gesetzgebung geregelt und somit rechtsgültig ist.
Darüber hinaus hatten die Bewohner angekündigt, durchaus mit einem Auszug einverstanden zu sein, sofern die Stadt ihnen adäquaten, das heißt »erträglichen« Alternativwohnraum zur Verfügung stellen würde.
Wochenlang hatten Aktivisten von CasaPound den Bewohnern zuletzt beigestanden, um eine plötzliche und gewaltsame Räumung zu verhindern. Zwei Wochen vor der letztlichen Räumung hatten die Aktivisten diese Besetzung jedoch vorübergehend beendet, da Behördenvertreter versprochen hatten, den betroffenen Familien einen entsprechenden Übergangswohnraum zuzuweisen.
»Wir provozieren keine Zusammenstöße [mit der Polizei], wir machen das nicht zum Spaß. […] Wir sind abgezogen, nachdem man zugesichert hatte, für die Familien eine Bleibe gefunden zu haben. Keine besonders schöne, aber immerhin hätten sie nicht auf der Straße gesessen. Schade, dass das nicht der Wahrheit entsprach.« (Interview mit Simone di Stefano in der Mainstream-Zeitung La Verita)
Kurz nachdem circa 70 Beamte die Zwangsräumung vollzogen hatten, zogen weitere Aktivisten und Unterstützer von CasaPound vor das Rathaus am Kapitolsplatz und forderten eine Stellungnahme der Stadtregierung. Diese gab zwar an, sich der Sache angenommen zu haben, eine tatsächliche Reaktion blieb bis jetzt jedoch aus. Für den 6. Oktober wurde nun eine weitere Demonstration vor dem Amtssitz der Bürgermeisterin angekündigt.
Während einige der Verhafteten mehrere Tage in Haft blieben und zum Teil mit Hausarresten belegt wurden, konnte für die betroffenen Familien aus der Via del Colosseo 73 eine neue Bleibe gefunden werden. Die Betroffenen, die keine Obhut bei ihren Familienangehörigen finden konnten, werden nun in Einrichtungen der CasaPound-Bewegung untergebracht. Einigen konnten Unterkünfte vermittelt werden, nach dem sich andere Bürger, die über entsprechende Kapazitäten verfügen, direkt bei CasaPound gemeldet haben um ihre Unterstützung anzubieten.
CasaPound betont derweil, dass sie auch weiterhin und notfalls handfest zu einem ihrer Leitsätze stehen werden, nämlich »Schild und Schwert Italiens« zu sein sowie für das Recht zu kämpfen, dass jeder italienischen Familie ein sicheres Obdach zustehe. Letzteres ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass es in Rom tatsächlich kein besonders ungewöhnliches Phänomen ist, dass man auf Parkplätzen Autos sieht, die ganz offensichtlich auch als Schlafplatz benutzt werden.
Di Stefano, der bei den Bürgermeisterwahlen im Mai 1,14% der Stimmen auf sich vereinen konnte, kritisierte die Stadtregierung scharf. Diese würde zwischen bedürftigen Italienern einerseits und illegalen Einwanderern sowie illegalen Zigeunerfavelas anderseits mit zweierlei Maß messen. Genau gegen diese Ungerechtigkeiten würde man auch weiterhin vorgehen. Auch dann, wenn es für ihn und andere Aktivisten erneut Haft und Strafverfahren bedeuten werde. Dass diese Ankündigung ernst gemeint ist und den Worten durchaus Taten folgen, hat CasaPound dabei in der Vergangenheit mannigfaltig bewiesen.
»Wenn es sich um Ausländer handelt, erlaubt sich ob einer ganzen Reihe von Gründen niemand, auch nur einen Finger zu erheben. Nicht zuletzt deshalb, weil die Einsatzkräfte Gefangene des Systems sind wissen sie ganz genau, dass sie ihren Arbeitsplatz riskieren, wenn sie auch nur einen Ausländer auf diese Art und Weise anpacken.« (Interview mit Simone di Stefano in der Mainstream-Zeitung La Verita)
Einen Tag nach der Zwangsräumung in Monti, während Di Stefano und andere noch in Haft saßen, demonstrierten CasaPound-Aktivisten und einige Anwohner im eher gutbürgerlichen Stadtteil Monteverde. Hier, in einem Nachbarviertel des beliebten Ausgehviertels Trastevere, hat die Stadt Rom, gemeinsam mit dem Roten Kreuz, ein Behelfsquartier errichten lassen. Ein Behelfsquartier für offiziell 150 illegale Einwanderer aus Afrika, die jede Woche zu tausenden die italienische Küste erreichen – und dann auf das ganze Land verteilt und vor Ort untergebracht werden. Aus Kosten des italienischen Sozialstaates, versteht sich.
Simone di Stefano steht weiterhin unter »Hausarrest«.
(Autor: John Hoewer)
Der Jungeuropa Verlag wird im Jahr 2017 eine interessante Erstübersetzung zum Thema auf den Markt bringen. Aus dem Italienischen übersetzt haben John Hoewer und Ettore Ricci.
Interessante Thematik, danke für diesen Einblick. Ähnliche Szenarien finden mittlerweile auch in anderen europäischen Städten statt. Justiz und Politik verraten ihre eigenen Bürger in einem Ausmaß, das nach Revolution schreit.
Vielen Dank für diesen ausführlichen Bericht – Und auch für den aktuellen Einblick in die HSM. Man fragt sich, warum diese jungen und revolutionären europäischen Gruppen noch nahezu keinerlei Erwähnung in Zeitschriften wie Zuerst! oder dem Compact Magazin gefunden haben.