Seit einigen Wochen tobt nun der Meinungsstreit: Handelt es sich bei den Kritikern der neuen Amazon-Serie »Die Ringe der Macht« um Rassisten?
Auch die französische Gratiszeitung 20 Minutes mischte sich in die Debatte um die Serie aus dem Universum von J. R. R. Tolkien ein: »Nein, Amazon hat Der Herr der Ringe nicht ›wokisiert‹«, so das gebührenfinanzierte Blatt. Für das Institut Iliade stellt sich dessen Sprecher Bastien Frimas dieser Interpretation entgegen und verteidigt den europäischen Geist im Werk des englischen Schriftstellers. Hierzu erschien bei Jungeuropa jüngst Tolkien, Europa und die Tradition von Armand Berger.
Tolkien war ein großer Europäer und durchdrungen von der Vorstellungswelt unserer Zivilisation. Seine Inspiration bezog er aus der germanisch-skandinavischen und finnischen Mythenwelt sowie aus der Artussage, mit der er vertraut war. Sein Ziel bestand darin, wie er oft erwähnte, »ein Ensemble von Legenden zu schaffen […], die ich in aller Einfachheit meiner Heimat, England, zu Füßen legen kann«. Da sein Werk unbestreitbar europäischen Charakters ist, scheint es naheliegend, dessen Personen auch als europäisch, als weiß aufzufassen.
Die alte Geschichte vom europäischen Geist Mittelerdes
Dies ist einer der Gründe, warum die neue Amazon-Serie – ein mittelmäßiges Manifest der »Woken« mit einer Besetzung wie aus einer Benetton-Werbung, ohne Respekt für die europäische Dimension des Werkes – so viel Kritik erntet.
Vincent Ferré, Professor für vergleichende Literatur und Tolkien-Experte, sprang der Serie in einem Interview mit 20 Minutes bei: »Tolkien ist bei seiner Recherche sehr viel weiter gegangen, bis zu verschiedensten Mythologien und Traditionen. Es gibt sogar Anspielungen auf die Ilias.« Man kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus: die Ilias – ein großes, afrikanisches Heldenepos? Als ob sich Tolkien seine Mittelerde als das moderne »Londonistan« vorgestellt hätte …
Kehren wir zu Vincent Ferré zurück, dem schamlosen Handlanger der »woken« Entstellung von Tolkiens Werk, und schauen uns eine 2002 gedruckte Aussage von ihm an: »Es sind tatsächlich Europa und der Mittelmeerraum, womit der Autor die Handlung von Der Herr der Ringe vergleicht […]. Tolkien lässt das Auenland als eine Verpflanzung aus dem ländlichen England erscheinen […]. Der geografische Widerspruch zwischen Mittelerde und unserer Welt ist unhaltbar. Das Einzige, was bleibt, ist der zeitliche Abstand.« Der Autor dieser Zeilen ist niemand anderes als … Ferré höchstpersönlich! Der europäische Geist von Mittelerde schien ihn damals noch nicht zu stören. Und tatsächlich hatten die Verwerfungen des »Wokeismus« im Jahr 2002 noch nicht die westliche Universität erfasst, wo Ferré sein Brot verdient.
Um diesen multikulturellen Ablenkungsmanövern den Garaus zu machen, reicht ein Tolkien-Zitat von 1958: »Das Auenland [ist], zum Beispiel, ausdrücklich dargestellt als Teil dieser Region [Europas]«, und »ich habe […] eine Fantasieepoche erdacht, was aber den Ort betrifft, blieben meine Füße fest auf meiner Heimaterde«. Vincent Ferré sollte diese Zeilen kennen: Er selbst hat die Übersetzungen von Tolkiens Briefwechsel, aus welchem obiges Zitat stammt, ins Französische begleitet.
Die Kolonisierung der europäischen Vorstellungswelt
Um es einmal klipp und klar zu sagen: Sowohl bei Tolkien als auch in der gesamten europäischen Literatur vor den 2000er Jahren bedeutete der fehlende Verweis auf die Ethnie einer Person, dass diese Europäer ist. Weiß. Und keine semantische oder ideologische Verdrehung wird daran jemals rütteln können.
Den Geist eines Werkes zu missachten ist eine bewusste Entscheidung und unterliegt somit der Kritik. Dies wäre nicht das erste Mal. Auch in der englischen Serie »Troy: Fall of a City« von 2018 ließ man afrikanische Schauspieler als Achilles und Zeus antreten. Die Ausrede? Die Ilias sei nun mal ein fiktives Werk, da gehe alles! Wie auch beim Tolkien-Universum. Da macht es den Kohl dann auch nicht mehr fett, wenn Achilles ausdrücklich als blond beschrieben wird.
Die Ideologie der Vielfalt geht noch weiter: In der britischen Serie »Anne Boleyn« von 2021 wurde die Königin und zweite Frau Heinrichs VIII. von einer Afrikanerin gespielt. Hier diente dann nicht mehr die Fiktion als Ausrede, sondern der Wunsch, mehr Diversität auf den Bildschirm zu zaubern. Dies sind lediglich zwei unter Dutzenden Beispielen, welche die Verachtung gegenüber der historischen Wirklichkeit oder der ethnischen Zusammensetzung der europäischen Kunstwelt verdeutlichen. Und all das funktioniert nur im Sinne einer Einbahnstraße.
Stellen wir uns mal Ryan Gosling in der Rolle von Nelson Mandela, Martin Luther King jr. oder Barack Obama vor. Oder die Verfilmung traditioneller Erzählungen Afrikas mit weißen Schauspielern. Das geht dann natürlich nicht. Und sollte es doch einmal dazu kommen – man könnte schon jetzt das empörte Gekreische vernehmen, welches den Produzenten einer solchen »kulturellen Aneignung« entgegenschlagen würde! Afrikaner in Mittelerde, vor den Mauern Trojas oder als Herrscher Englands im 16. Jahrhundert? Absolut unproblematisch, keinerlei Aneignung. Mit der europäischen Kultur lässt sich eben alles machen. Für Weiße gibt es keinen safe space, nichts darf von der Ideologie der Vielfalt verschont bleiben.
Die Polemik um die Amazon-Serie zeigt, dass ein offener Krieg gegen die Geschichte und Kultur Europas geführt wird. Unsere Vorstellungswelt wird bewusst kolonisiert; nichts Eigenes darf uns mehr bleiben. Diese Große Auslöschung ist eine Begleiterscheinung und ein Wegbereiter des Großen Austausches: Afrika den Afrikanern, Asien den Asiaten, Europa aber der ganzen Welt. Wir haben das Recht und sogar die Pflicht, uns in diesem Kampf zu verteidigen … Vor allem, indem wir die Häresie, welche die Amazon-Serie darstellt, nicht schauen.
(Autor: Bastien Frimas, Übersetzer: Jonas Greindberg)