Kurze Werbepause: Wer nach dem ganzen Banneraufhängen, Grundsatzprogramme-schreiben und Deutschland-am-Tresen-verteidigen einmal eine Auszeit braucht, setzt sich dieser Tage gern vor seinen Rechner und »netflixt«. Soweit das Klischee. Diejenigen, die das nun wirklich tun, haben Glück: Im März ist mit Love, Death & Robots eine neue, Netflix-exklusive Science-Fiction-Serie erschienen – und die hat es in sich.
Science-Fiction ist ein Feld für sich: Manche lieben es, manche hassen es. Der Hang zum allzu Abgefahrenen machte das Genre lange zum Feld von »Geeks und Nerds«, wie Tim Miller, der als Regisseur des Deadpool-Films bekannt gewordene Produzent der Serie, selbst zu Protokoll gibt. Damit will Love, Death & Robots nun brechen: Aufgeteilt in 18 recht kurze Episoden bietet die Netflix-Serie das volle Programm an animierter Erwachsenen-Unterhaltung: Neben den namensgebenden Elementen Robotern, Liebe und Tod fahren die Macher alles auf, was das Genre zu bieten hat: Jede Menge Sex, Mythen, Magie, Horror, Gewalt und Gesellschaftskritik.
Vom »Projekt Chaos« zur Guerilla-Idee
Man mag Netflix als digital »wertschöpfenden«, kapitalistischen Konzern, welcher vom Konsumdrang unserer Gesellschaft zehrt, (zurecht) kritisieren, aber die Existenz der Serie ist eine nähere Betrachtung wert. Neben dem erwähnten Tim Miller zeichnet sich auch David Fincher als Produzent verantwortlich. Der sollte dem ein oder anderen noch als Regisseur der genialen Revolutions-Allegorie Fight Club bekannt sein. Im Gegensatz zum üblichen Vorgehen, welches man von einem amerikanischen Großkonzern erwartet, fußt Love, Death & Robots auf einer Guerilla-Idee: Kleine Studios, die ihrer Kreativität freien Lauf lassen und fern von gewinnorientierten Marketing-Entscheidungen Zugeständnisse eingehen müssen. Miller und Fincher sprachen nämlich für die Serie die aus ihrer Sicht geeignetsten Animationsstudios rund um die Welt an und setzten das Ganze dann Netflix einfach vor.
Vorteil des Streaming-Anbieters: Im Gegensatz zu Kinofilmen ist man hier nicht auf Zuschauer an den Kassen angewiesen, der Kostenfaktor also ein ganz anderer als bei Warner Bros etc. Auch das hat Love, Death & Robots nur gutgetan. (Wer mehr über die Entstehung der Serie erfahren will, findet hier ein hochinformatives YouTube-Video dazu.)
Das ist der Knackpunkt: Für die Drehbücher baute man auf die Geschichten zahlreicher namhafter Sci-Fi-Autoren. Unterschiedliche Studios verarbeiten dann die unterschiedlichen Themen in ihrem ganz eigenen Stil zu einer Animationsserie. Entsprechend ambivalent muss das Urteil ausfallen, denn nicht jede Folge ist für jeden etwas. Neben platten und recht eindimensionalen Episoden finden sich solche, die tiefere Fragen aufwerfen und mit den Möglichkeiten einer Science-Fiction-Welt spielen.
Können wir Sci-Fi von rechts denken?
In den eigenen Reihen spielt die Beschäftigung mit Sci-Fi-Büchern, Filmen, Serien oder Comics noch immer eine untergeordnete Rolle. Ob es an dem vorherrschenden Konservatismus oder der Unfähigkeit zur Dekonstruktion liegt, ist nur schwer zu sagen. Denn eigentlich bietet die Sparte doch alles, was es für Interpretationen von rechts braucht: Auf die Spitze getriebene moderne Dystopien mit all ihrem Dreck (Blade Runner), kantige, feldgraue Ästhetik (Star Wars) und absurd hervorragend funktionierende Gesellschaften faschistischen Typus‘ (Starship Troopers) – immer wieder lässt sich Science-Fiction in rechtes Denken einfügen oder wird zumindest vom Feind dort verortet. So natürlich auch bei Love, Death & Robots: Einige Kritiker haben sich die Serie bereits vorgenommen: Sie sei zu »hyper-maskulin«, »misogyn« und »offensichtlich sexistisch«.
Das ist natürlich nur eine Seite, betont männliche Darstellungen gehören nämlich zum Repertoire des Genres, genau wie zu den Superhelden-Comics, welche für den Produzenten Miller eine erhebliche Inspiration lieferten. Dabei sind die 18 Folgen nicht nur im Stil derart unterschiedlich, dass ein einheitliches Urteil gar nicht möglich ist. Episoden, die eine dezidiert »rechte« Interpretation in Richtung Technikkritik, Mythos und Religion zulassen, finden sich ebenso wie Folgen ohne größeren Tiefgang oder die obligatorischen Verbeugungen vor dem Zeitgeist. Etwa die drei Roboter, die darüber spekulieren, welches Ereignis nun das Ende der Menschheit heraufbeschworen hätte. Es ist natürlich der Klimawandel. Greta lässt grüßen.
Traditionen in der Postmoderne, die USA und Hitler
Seine besten Momente hat Love, Death & Robots dann, wenn man nach der Episode nicht gleich die nächste anschmeißt, sondern noch einmal innehalten muss: Was habe ich da gerade gesehen? »Zima Blue« ist so eine Folge über den Sinn und Zweck all unseres Tuns angesichts von Medien-Entertainment und Kunst-Müll. Oder nehmen wir »Beyond the Aquila Rift«, das mit seinem täuschend echt aussehenden (fotorealisitschen?) CGI-Animationen die Matrix-Frage stellt: was ist eigentlich real und was nicht? Wem vertrauen wir und wem nicht?
»Good Hunting« verbindet eine Steampunk-Version Chinas mit den mythologischen Huli Jing-Fuchsgeistern, die den Verlust der Magie in der modernen Welt am eigenen Leib zu spüren bekommen. In einem leichten Anflug von Hoffnung beschreibt die Geschichte außerdem das Herüberretten von Traditionen hinein in eine postmoderne, hochtechnisierte Welt. In anderen Folgen wird unsere totale Abhängigkeit von Technik ebenso behandelt wie der US-Einsatz in Afghanistan, unsere Liebe zu Katzen (ja, wirklich) und der Tod von Adolf Hitler.
Manchmal herzlich oder witzig, doch meistens todernst: Wie für Science-Fiction nun mal üblich und angesichts der realen, modernen Welt nur angemessen zeigt sich Love, Death & Robots im Rückblick sehr melancholisch und pessimistisch: Egal ob die Menschheit schon längst ausgelöscht ist (»Three Robots«), die abenteuerlustigen Träumer zum Schluss doch vom größten Fisch gefressen werden (»Fish Night«) oder wir in Zeitspiralen zwischen Mord, Sex-Clubs und Großstadtdreck gefangen sind (»The Witness«), am Ende sieht es recht düster für den modernen Menschen aus. Dafür ist Science-Fiction da: Um uns zu warnen, dass die Ampel schon jetzt auf Rot steht. Oder, wie es Genosse Leutnant am Ende der Staffel (»Secret War«) ausdrückt: »There is darkness in every direction these days, comrade.«
Für die modernen Revolutionäre, die noch auf dem Sofa liegen und »netflixen«, hält die Serie also vielleicht genau der Ruck parat, den sie brauchen.
(Autor: Volker Zierke)