Solidarität mit Venezuela!

Die Positionierung zum Konflikt in Venezuela, wo der konterrevolutionäre »Phantompräsident« Guaidó von den USA als designierter Marionettenstaatschef gefördert wurde, aber dann auf den entschiedenen Widerstand der legitimen Regierung Präsident Maduros traf, wird für Konservative auch in Europa zum Prüfstein.

Hieran ist zu sehen, worum es jenen, die sich konservativ schimpfen, wirklich geht: Bekennt man sich schonungslos zum Prinzip nationalstaatlicher Souveränität und lehnt daher eine imperialistische westliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten Venezuelas ab, wie es etwa auch Italiens Vize-Außenminister Manlio di Stefano für seine Regierung in vorbildlicher Weise tat? Oder macht man sich zum reaktionären Sprachrohr von US-Ölinteressen und vergisst dabei das Prinzip echter Nationalstaatlichkeit, sobald es für die selbsternannte »westliche Wertegemeinschaft« unbequem wird? Im Falle von Linksliberalen ist letztere Haltung nichts Ungewöhnliches – »Konservative« sollten sich in einem solchen Falle dann aber überlegen, ob sie sich von den Globalisten, die Nationalstaatlichkeit weltweit zurückfahren bis aushebeln wollen, eigentlich noch so sehr unterscheiden. 

Wirtschaftlicher Schaden durch US-Sanktionen 

Nicht selten wird von marktwirtschaftlich orientierten Konservativen und Nationalliberalen (die ohnehin US-hörigen NeoCons lassen wir hier mal außen vor) gegen die venezolanische Regierung angeführt, diese habe ihr Land in den Jahren der Maduro- und zuvor der Chavez-Präsidentschaft über ihre sozialistische Politik wirtschaftlich in den Abgrund geführt. Doch stimmt diese Diagnose? 

Fakt ist, dass ein objektiver Blick auf die ökonomische Entwicklung Venezuelas nicht möglich ist, wenn man dabei den Wirtschaftskrieg außen vor lässt, den die USA – wahrlich nicht erst seit Trump – seit vielen Jahren gegen das sozialistische Venezuela führen. Bis heute wurden sage und schreibe 63 Sanktionen verhängt; allein im vergangenen Jahr kosteten die Sanktionen Venezuela 6 Milliarden Dollar, das Öl-Embargo kostet das Land 11 Milliarden Dollar. Im Kampf um die reichen Ölreserven Venezuelas ziehen die USA alle Register – wofür sie nicht nur seit dem von ihnen inszenierten Putschversuch gegen Maduros Vorgänger Chavez im Jahre 2002, sondern allerspätestens seit ihrer Irak-Invasion im Jahre 2003 bekannt sind. Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton, Vordenker der neokonservativen »Falken« in der Regierung, gilt übrigens als einer der Architekten jenes völkerrechtswidrigen Krieges. 

Es ist durchaus nicht gewagt zu vermuten, dass Venezuelas wirtschaftliche Entwicklung ohne die Sanktionen der militärischen und wirtschaftlichen Supermacht USA und damit auch ihrer Verbündeten sehr anders aussähe. Dies gilt umso mehr, als dass die Startbedingungen der Chavez-Regierung ab 1998 denkbar schlecht waren: Lagen vor seinem Regierungsantritt doch buchstäblich Jahrzehnte korrupter und oligarchischer Regierungen. Auch derlei Ausgangsbedingungen müssen mitbedacht werden, wenn davon die Rede ist, dass »der Sozialismus« Venezuelas Lage verschuldet habe. 

Übrigens ist die soziale Situation Venezuelas trotz all dieser massiven Belastungen immer noch nicht mit jenen Verhältnissen vergleichbar, in denen derweil Menschen in den Slums des US-Verbündeten Kolumbien oder anderer kapitalistischer Staaten Lateinamerikas leben müssen – auch ein Resultat der vorausschauenden Sozialpolitik, welche die Regierung Maduros und zuvor vor allem jene seines charismatischen Vorgängers Hugo Chavez betrieben hat. 

Umfassende sozialpolitische Maßnahmen 

Dazu gehören u. a. Programme zum Schutz der Umwelt (vgl. Zeuske: Kleine Geschichte Venezuelas, S. 182), zum Wiederaufbau des Bildungswesens, wozu etwa das Alphabetisierungsprojekt Mission Robinson sowie die Programme »Ribas« und »Sucre« zum Aufbau weiterführender Schulen und Universitäten zählen, das Programm »Mission Barrio Adentro« zum Ausbau des Gesundheitssystems, die »Mission Vuelvan Caras« zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, ein Programm für den preiswerten Massenzugang zum Internet, das Programm »Hábitat vivienda« für den Bau von Sozialwohnungen und weitere, umfassende sozialstaatliche Programme wie etwa der »Plan Bolivar 2000« (vgl. Kestler: Die Krise in Venezuela, S. 29). Hinzu kommen außerdem in der Verfassung neu verankerte Rechte u. a. der indigenen Bevölkerung auf Selbstbestimmung (vgl. Zeuske: Kleine Geschichte Venezuelas, S. 181). 

Sollte Konservativen nicht am Schutz indigener – also einheimischer (!) – Völker eines Landes gelegen sein? Sollten Konservative es nicht zu schätzen wissen, wenn eine Regierung ihr Volk nicht, wie dagegen in zig kapitalistischen Staaten Lateinamerikas der Fall, in Slums verarmen lässt, sondern sich aktiv um sozialstaatliche Mechanismen und zum Zugang zur Bildung für die ganze Bevölkerung bemüht, um derlei Zustände zu verhindern? Dies gilt umso mehr, als dass Venezuela wirtschaftspolitische Erfordernisse, welche auch mit der Einbindung in die Weltwirtschaft einhergehen, immer erkannt und bspw. weiterhin das Recht auf Privateigentum anerkannt hat (vgl. Zeuske: Von Bolivar zu Chávez, S. 496). Gegen 63 Sanktionen durch die verbliebene Supermacht Amerika kann aber auch die beste Wirtschaftspolitik auf Dauer nur unter großen Schwierigkeiten bestehen. 

Patriotischer und antiimperialistischer Sozialismus

Unter Konservativen in Europa grassieren nicht selten noch veraltete Links-Rechts-Schemata, die Überbleibsel des Kalten Krieges sind, der in so manchen Köpfen noch immer vorherrscht. Konzepte wie »Links« und »Sozialismus« werden in diesem Zusammenhang oft unreflektiert mit antideutschen Antifa-Gruppierungen und antinationalen, globalistischen Bestrebungen assoziiert (»Ist halt alles irgendwie links und dieselbe rote Suppe!«). Sozialistische Staaten wie Venezuela, Kuba und andere werden dadurch zum Kollateralschaden dieser ebenso pauschalen wie unzutreffenden Etikettierung, an der auch so manche konservative Publizisten, die das Geschäft der USA besorgen, nicht immer ganz unschuldig sind. Dass gerade die sozialistischen Staaten Lateinamerikas aber immer (!), ohne Ausnahme, auch einen ausgeprägten Patriotismus hochgehalten haben, und von der hiesigen Antifa vermutlich als »latent-faschistisch« etikettiert würden, würden ihre Inhalte in die hiesige Linke Einzug halten, wird dabei – mal wissentlich, mal unwissentlich – ausgeblendet. 

Eines der wichtigsten Prinzipien des lateinamerikanischen Sozialismus, den sowohl Kuba als auch Venezuela praktizieren, ist das des Antiimperialismus. Ursprünglich geboren aus der Emanzipation von den Kolonialmächten, ist Antiimperialismus heutzutage vor allem eine Haltung, die sich gegen die Hegemonialpolitik des aktuellen Imperiums USA richtet. Ein Grund, wieso der venezolanische Sozialismus sich auch stets als »bolivarianisch« bezeichnet; benannt nach dem legendären Unabhängigkeitskämpfer Simon Bolivar. Und ein Grund, weswegen Staaten wie u. a. Russland und China sich hinter die legitime venezolanische Regierung Maduros gestellt haben. 

Bereits dessen Vorgänger Chavez hat es nicht bei einer bloßen antiimperialistischen Grundhaltung belassen, sondern durchaus ehrgeizige außenpolitische Projekte in die Wege geleitet, um dem US-Imperialismus etwas entgegenzusetzen: Das sogenannte ALBA-Abkommen, dem sich neben Kuba auch Bolivien 2006 anschloss, sollte die Ablehnung von Wirtschaftsreformen zugunsten freier Märkte und die Bevorzugung von Staatsunternehmen verbindlich machen.

Mit der »Banco del Sur« (Bank des Südens) wurde im Jahre 2007 durch Venezuela, Argentinien, Bolivien, Ecuador, Paraguay und Uruguay ein Gegenpol zur neoliberal und pro-amerikanisch agierenden Weltbank geschaffen, um den südamerikanischen Staaten eine finanzielle sowie politische Unabhängigkeit zu ermöglichen, die mit der Kettung an die Weltbank – die seit langem bekannt dafür ist, als Konditionen für ihre Kredite u. a. die Privatisierung von Staatseigentum zu fordern – nicht gegeben ist. Der international und weit über Lateinamerika hinaus zu empfangende Fernsehsender TeleSURsoll zudem der globalen Dominanz westlicher Massenmedien eine soziale Gegenöffentlichkeit entgegensetzen (vgl. Sander: Diversität durch Diffusion, S. 17 f.). 

Zur Frage der Demokratie 

Nun wird gegen eine Unterstützung der Maduro-Regierung gerne eingewandt, diese sei ja nicht mehr demokratisch legitimiert. Doch einmal ganz von der nicht unwichtigen Rückfrage abgesehen, wie »demokratisch legitimiert« eigentlich die US-Marionette Guaidó ist oder wäre, gilt es an dieser Stelle einmal ein grundsätzliches Argument einzuwerfen. So unterscheidet das Völkerrecht bzw. das Prinzip souveräner Nationalstaatlichkeit nämlich dezidiert nicht zwischen »Demokratien« und etwa »Autokratien«.

Militärische Interventionen (westlicher Neusprech für Kriege), inszenierte Putsche, Einmischungsversuche ausländischer Regierungen in die inneren Angelegenheiten eines Staates (und seien sie auch getarnt als »Auslandsarbeit parteinaher Stiftungen« oder als »Hilfslieferungen«) werden weder legaler noch legitimer dadurch, dass es sich bei den Objekten der Einmischung womöglich um Autokratien handeln mag. Das Völkerrecht trifft keine Urteile über Wert oder Unwert bestimmter Regierungssysteme. Die einzigen, die dies im außenpolitischen Rahmen in der Regel tun, sind US-amerikanische Politiker und ihre »westlichen« Verbündeten, die derlei Semantiken zur eleganten Rahmung imperialistischer Ziele nutzen, eventuell noch sekundiert von ein paar naiven Linksliberalen (die in Deutschland vor allem in der SPD, bei den Grünen und seit neuestem auch endgültig in der Linkspartei das Sagen haben). 

Ferner möge der zur selbsternannten »westlichen Wertegemeinschaft« geneigte Leser an dieser Stelle doch einmal innehalten und sich fragen: Wie oft haben eigentlich schon die USA, wie oft hat schon die BRD autokratische Regime unterstützt? Man denke hierbei an Merkels eifrige Hilfen für das – aber eben für die NATO wichtige – türkische Erdogan-Regime oder an die reichhaltigen Waffenlieferungen (!) an Saudi-Arabien. Wollen uns die US-Regierung bzw. die Bundesregierung der BRD etwa erzählen, Saudi-Arabien sei auch nur ansatzweise ein demokratischeres Regime als die Maduro-Regierung in Venezuela? Nicht einmal unsere Bundesregierung wäre wohl zu einer derartig dreist-falschen Behauptung imstande. Ergo: Es muss also wohl andere Gründe für die Agitation gegen die Maduro-Regierung geben – und diese Gründe sind in der ökonomischen Motivlage des kapitalistischen Imperialismus zu suchen. 

Für das Primat der nationalstaatlichen Souveränität 

Es bleibt festzuhalten: Wem an der Souveränität, an der Selbstbestimmung von Staaten ohne Einmischung äußerer Mächte gelegen ist, wer sich für diese Kernprinzipien konservativen Denkens ausspricht, wer konsequenterweise die Rechte, die er – richtigerweise! – für Deutschland oder andere europäische Staaten (wie aktuell etwa Großbritannien) einfordert, auch Staaten außerhalb Europas zugesteht, der sollte in Solidarität zur legitimen Regierung Venezuelas stehen, anstatt einer kurzsichtigen, pro-kapitalistischen und reaktionären Bauchgefühlstimmung hinterher zu laufen. Dies vermag sich nämlich zu rächen – spätestens dann, wenn die imperialistischen Ambitionen der USA diese wieder einmal zu außenpolitischen Schritten führen, die deutschen Interessen direkt widersprechen. Dies soll gelegentlich vorkommen. 

(Autor: Florian Sander)

Literatur: 

  • Thomas A. Kestler: Die Krise in Venezuela im Jahr 2002 aus brasilianischer und US-amerikanischer Sicht, Eichstätt 2005.
  • Florian Sander: Diversität durch Diffusion: Die Prinzipien der Weltkultur als Venezuelas Instrument zur Emanzipation vom Westen?, München 2011.
  • Michael Zeuske: Kleine Geschichte Venezuelas, München 2007.
  • Michael Zeuske: Von Bolivar zu Chávez. Die Geschichte Venezuelas, Zürich 2008.

2 Gedanken zu „Solidarität mit Venezuela!“

  1. Zitat: „wer sich für diese Kernprinzipien konservativen Denkens ausspricht“

    Könnte es nicht ebenso heißen „wer sich für die Kernprinzipien emanzipatorischen und somit linken Denkens“ einsetzt? Ist es nicht die deutsche Linke, die eifrig für „die Kurden“ (wer auch immer das sein mag) und Rojava oder die nationalistischen respektive identitären Bestrebungen der „linken“ Basken in Barcelona trommeln, wo sie Gleiches vor der eigenen Haustür ablehnen? Ist der Antiimperialismus nicht in seinen Ursprüngen links, sodass man sich wundert, dass „Linke“ heute den globalistischen Konsens pflegen. Waren Stalin und die Bolschewiki nicht imperialistische Rechte und letztlich Faschisten genauso wie es die deutschen Nationalsozialisten gestern waren und der US-Imperialismus heute ist?

    Ich glaube wirklich, wir haben es mit einer bedeutsamen Diskursverdrehung zu tun. Oder rückt sich der Diskurs vielleicht gerade gerade? Richtig ist falsch und falsch ist richtig? Linke propagieren und verteidigen rechtes Gedankengut (z.B. Islam) und Rechte linkes (z.B. die Aufklärung; ein zutiefst bürgerliches aber zu seiner Zeit emanzipatorisches und damit linkes Projekt bis in unsere heutige Zeit hinein). Dies führt zu einer nicht unerheblichen gesamtgesellschaftlichen Verwirrung. Vor allem weil sich in Zeiten des Internet jeder seine individuelle Weltsicht zurechtklittert.

    Folgte man der rechten weil neoliberalen, imperialistischen und globalistischen pro-EU-Diktion der auch die rechte Linkspartei anhängt, versteht man kaum, wieso sich die Linkspartei überhaupt für die Kleinstaaterei stark macht und Venezuela nicht zur Aufgabe seiner völkerechtlich verbrieften Souveränität auffordert. Immerhin möchte man am liebsten alles in „eine Welt“ überführen, vergisst aber nur allzu offensichtlich die herrschenden kapitalistischen Verhältnisse, womit diese „eine Welt“ zu keinem emanzpatorischen Projekt würde. Gleichsam erschließt sich mir nicht, warum die deutsche Rechte permanent auf die freien Entscheidungen der Völker schimpfen, sich ihre sozialistischen oder kapitalistischen Despoten selbst zu wählen. Überhaupt sei alles nur „linksversifft“ wie die ultrarechte Kanzlerin Merkel.

    Unabhängig davon, was man von jemanden wie Trump, Maduro, Xi, Bolsonaro, Castro oder Putin halten mag, es obliegt einzig den Menschen in ihren nationalen Grenzen, ihre Herrscher zu richten. Äußere Einflussnahmen verbieten sich schlichtweg, so wie sich jeder militärische Einmarsch verbietet.

    Insgesamt zeigt mir die aktuelle Entwicklung, dass wir mehr denn je das Phänomen der nationalrevolutionären linken Leute von Rechts neu analysieren und verstehen müssen. Überhaupt sollte der Diskurs zwischen linken Linken, von denen viele heute in der Mehrheit aus ihrer Frustration heraus und aus Protest die AFD wählen und damit den rechten Linken der Linkspartei verloren gehen und der linken Rechten neu belebt werden. Auch um die Gefahr zu bannen, dass sich die rechte Rechte in neuem alten Gewand erhebt. Der Schoß ist fruchtbar usw.usf.

    1. Meine Güte, was für ein bla bla. Hier soll der Diskurs wohl vor allem vernebelt werden, durch die üblichen rhetorischen Taschenspielertricks, wie man sie von den sogenannten „Geisteswissenschaftlern“ und Sozialingenieure kennt?

      Die Bolschewiki waren also eigentlich Faschisten…weil sie ja eigentlich Imperialisten waren. Also waren die, die es zuerst gab, in Wirklichkeit etwas, was es erst später gab?
      Abgesehen von der Tatsache, die heute eigentlich jeder kennen sollte, daß der Faschismus in seiner Epoche lediglich verbal „imperialistischer“ als der demokratische Westen war, ist auch die pure Bilanz sehr einseitig. Einfach mal die Todesurteile in Italien von 1926 bis 1943 mit den Zahlen der großen Säuberung in der SU 1936-1939 vergleichen. Auch hat der „US-Imperialismus“ nichts mit Faschismus zu tun, außer man definiert das ganze völlig nach seinem eigenem Gusto und schert sich um die Wissenschaft einen Dreck.

      Wie lange muß 2019 schon her sein, daß man sich Gedanken machte, um die Auferstehung der rechten Rechten unter der ultrarechten Merkel, weil der faschistische Schoß ja allzu fruchtbar ist? Als ob in diesem Land, außer den Invasoren, noch irgendetwas fruchtbar wäre.. Ne ne, der Balkon ist wohl inzwischen vom Bauamt geschlossen worden.. :-)))

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