»Und, wie war es?« Das ist wohl die häufigste Frage, die all jene zu hören bekommen, die an der Front waren. Teilweise kann man nur schmunzeln über die Naivität der Fragestellung, andererseits ist sie auch verständlich, denn was weiß man im heutigen Leben noch vom Krieg und von einer Front? Wie ist es also?
Ganz anders vor allem. Ich begleitete eine Gruppe internationaler Freiwilliger als Berichterstatter, und für uns bestand die Front in den letzten Wochen aus einem ukrainischen Dorf im Osten des Landes – aus wenig mehr als ein paar Hundert Häusern, ein paar Straßen und einigen Erdlöchern. Der Weg dorthin aus der zweiten Linie wird mit Pick-ups, Vans und anderen »Tactical Personal Owned Vehicles« bestritten, die im höchstmöglichen Tempo über Feldwege in das umkämpfte Dorf fahren. Unterwegs passieren wir den letzten Checkpoint, gewissermaßen die Markierung, dass wir nun in den vordersten Bereich fahren. Einige Kilometer lang ist die Fahrt in unserem Pick-up, dessen Windschutzscheibe bereits mehrfach zersprungen ist. Am Rückspiegel hängt eine kleine Fahne mit dem Satz »Ukrainische Freiheit oder Tod«, der Innenraum ist voll geladen mit zusammengequetschten Soldaten und ihren Waffen. Das Radio schweigt, genauso wie alle Insassen, nur das Röhren des Motors ist zu hören.
Dass es auch anders geht, erlebe ich einige Tage später, als ich mit zwei internationalen Freiwilligen ebenfalls über die von Schlaglöchern und Artilleriekratern geprägten Straßen rase und wir die laut aufgedrehte Musik fröhlich mitsingen, während wir schnellstmöglich durch die Feuerbereiche russischer Panzer fahren. »I die tonight, I’ma come back to life / Get a Benz ride, I’ma make it all white / Red gloves real bright, pretty girl get inside / We are alright let’s just get through the night«, heißt es, während wir im Asphalt steckende Blindgänger umfahren. Aber da liegen auch für mich bereits einige Tage voller Beschuss hinter mir, auch ich bin da bereits an den ständig nahen Tod akklimatisiert und kann die Stimmung gut nachvollziehen. Junge Männer, alte Waffen, laute Musik und eine genauso große Distanz zu jeder Form von bürgerlichem Leben wie die Nähe zum Tod, wie könnte man da keinen Spaß haben?
Der Weg dorthin war zunächst freilich weniger spektakulär, ein Parken irgendwo im sichtgeschützten Bereich, ein schnelles Herausspringen, und schon drehte der Motor wieder auf, während wir in das Haus rannten, dessen Keller einem Großteil der Gruppe zunächst als Unterkunft dienen sollte. Ein Wiedersehen mit den Freunden, die bereits einige Tage vorher hier Stellung bezogen hatten, und eine erste Orientierung. Aus dieser und jener Richtung kommt der Feind, hier sind die potenziellen Richtungen, aus denen Beschuss kommt, so und so waren die letzten Tage. Die letzten Wochen waren vergleichsweise ruhig an diesem Abschnitt, wir wussten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass wir in nicht einmal 24 Stunden mitten im Abwehrkampf eines russischen Angriffes stehen würden.
Das Haus, in dem wir uns gerade befanden, würde wenige Tage später völlig niedergebrannt sein, aber noch bot uns sein Keller Obdach. Den ersten Eindruck vom Krieg vermittelte uns ein eigener Mörsertrupp, der nicht weit von uns sein Feuer auf irgendwelche Ziele eröffnete. Der tägliche, gegenseitige und zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich intensive Beschuss. Schon nach ein, zwei Tagen konnte ich die ganzen unterschiedlichen Nuancen des Artilleriefeuers unterscheiden, einschätzen, ob es ein eigener Abschuss oder ein gegnerischer Beschuss war, ob es eine Artilleriegranate, eine »Grad«-Salve oder ein Panzergeschoss war, und ob es Grund gab oder nicht, sich auf den Boden zu werfen.
Zwischen diesem ersten Abschuss und diesen einigen Dutzend Stunden später lagen Hunderte, vielleicht sogar Tausende Granaten und Raketen. Aber alles begann mit diesem ersten Abschuss, der sich uns nicht nur mit seinem Knall, sondern auch mit einer leichten Vibration der Decke mitteilte. Seine Nachfolger begleiteten uns durch die Gespräche, bis es Zeit war, die Position zu wechseln. Das Haus bot nicht genug Platz für alle von uns, Teile wurden auf zwei weitere Unterkünfte aufgeteilt. Also wieder raus, diesmal zu Fuß, einige Hundert Meter durch das Dorf hin zu einem anderen, modrigen Keller, den ich mir mit zwei weiteren Männern teilen sollte.
Erste Eindrücke wurden möglich, Eindrücke, die ganz anders sind, als man sie erwartet. Die Spuren des Krieges prägten das Dorf, halb zerschossene Häuser, Trümmer und Einschlagskrater, die üblichen Zeichen der Front. Und doch wirkte es irgendwie friedlich, wenn man von dem gelegentlichen Abschuss der Mörser absah. Die Sonne schien, Straßenhunde kreuzten unseren Weg, und der Blick zur Seite eröffnete die Aussicht auf einen strahlenden See in der Mitte des Dorfes. Selbst das Zwitschern der Vögel war hörbar, dank der Ruhe, die über dem Dorf lag. Zu sehen war niemand, jeder blieb in seinem Keller, nur wir bewegten uns von Deckung zu Deckung durch das sonst verlassen wirkende Dorf. Nach einigen Minuten waren wir in dem dunklen Loch, das unsere Unterkunft sein sollte. Betten für zwei Personen, Wasser und Essen waren bereits drin, eine dritte Matratze mussten wir uns noch besorgen. Morgen sollten wir weitere Instruktionen bekommen und in die Stellungen gehen, für heute stand nichts mehr an. Bis auf das »Suicide Shopping«, das Organisieren der dritten Matratze.
Den Begriff des »Suicide Shopping« hatte einer meiner beiden Mitbewohner aus Kurdistan mitgebracht, wo er in der Vergangenheit bereits bei der YPG erste Kriegserfahrung gesammelt hatte. Gepäck ablegen, erste Orientierung in dem muffigen, wenige Quadratmeter großen Erdloch, dann ging es zur Shoppingtour durch die umliegenden Häuser. Fast alle Zivilisten hatten das Dorf bereits verlassen und ihre Häuser unabgeschlossen hinterlassen. Es wirkte komisch, durch die Wohn- und Schlafzimmer der verlassenen Häuser zu laufen. Fast alles war noch da, die ehemaligen Bewohner hatten nur das Nötigste mitgenommen. Des Eindruckes des Eindringens in fremde Privatsphären konnte man sich zu Beginn kaum erwehren, solche Allüren eines zivilen Lebens gingen aber genauso im Artilleriefeuer unter wie ein Großteil der Häuser. »Suicide Shopping« also, eine passende Matratze wurde gefunden und eine der wenigen abgeschlossenen und dem Transport im Weg stehenden Türen kurzerhand aufgetreten. Wenige Minuten später bedeckte sie die letzte freie Fläche unseres Kellers. Alkohol war zum Frust der Suchenden leider keiner mehr da, mutmaßlich hatten bereits andere Soldaten bei ihren Einkaufsbummeln alle auffindbaren Reserven mitgenommen. Also zurück in den Keller, den nur Taschenlampen und Kerzen erhellten.
Gespräche, Lachen, langsame Gewöhnung an die immer wieder zu hörenden Explosionen. Für Abwechslung sorgten zwei Hunde, die sowohl Zuflucht als auch Futter suchten. Dank einiger Dosen Corned Beef konnten wir ihnen beides bieten. Stunden verbrachten wir so, unspektakulär und fast schon gelangweilt, aber so war es nun einmal. Krieg heißt vor allem Warten, und daher war es nur natürlich, dass unsere erste Zeit hauptsächlich daraus bestand. Irgendwann nach Sonnenuntergang schliefen wir zu dem Geräusch des Artilleriebeschusses ein und erwachten zu den gleichen Hintergrundgeräuschen. Im Keller warteten wir darauf, abgeholt zu werden, schlugen die Zeit tot und registrierten intensiveren Beschuss.
Irgendwann kamen drei andere Internationale vorbei, nicht, um uns abzuholen, sondern um nach uns zu sehen. Einer hatte ein Funkgerät dabei, was sich noch als wertvoll erweisen sollte. Die Stimmung war gut, man scherzte und sprach über die üblichen Themen junger und nicht mehr ganz so junger Männer. Eigentlich wollten sie nur kurz vorbeisehen, doch die Warnung über das Funkgerät, dass feindliche Drohnen in der Luft seien, zwang sie zu einem längeren Aufenthalt. Wir dachten uns wenig dabei, nur einer der Internationalen wurde zunehmend skeptisch. Er war seit Wochen als Sanitäter in diesem Dorf, einer von zwei internationalen Sanitätern, die Einzigen, die selbst bei schwerem Beschuss rausgingen. Verrückte Typen, aber die der guten Sorte. Er begann, ernster zu werden.
Normalerweise flögen die russischen Drohnen nur kurz über das Dorf, dass sie so lange blieben, bedeute nichts Gutes. Und tatsächlich, der Beschuss wurde immer heftiger, die Einschläge kamen näher, die Erschütterungen wurden stärker. In der Ferne begann Maschinengewehrfeuer, erste Panzerabschüsse waren zu hören. Es dauerte, bis wir Informationen über das Funkgerät erhielten, aber nach einiger Zeit kam die Bestätigung von dem, was wir eh schon hören konnten: Die Russen griffen an, Panzer waren bereits im Dorf, mehr konnten wir nicht erfahren, der Kontakt war zu schlecht. Wir waren also auf uns allein gestellt, mitten in einem Angriff, von dem wir nicht wussten, wie weit er bereits vorgedrungen war. Nun war es an uns, selbstständige Entscheidungen zu treffen. Die gute Stimmung war verflogen, es gab nichts mehr zu scherzen. Das Einzige, was wir bei einem Blick aus dem Keller sehen konnten, war ein Rauchring am Himmel, vermutlich hervorgerufen durch den Abwurf von Submunition, jedenfalls nicht unbedingt das Schönste, was einen begrüßen konnte.
Die Entscheidung war schnell kollektiv getroffen: Versuch, sich zu den anderen Internationalen durchzuschlagen, und taktischer Rückzug, falls die Situation es erforderte. Individuell musste die letzte Frage beantwortet werden: Was, wenn einer zu schwer verletzt werden sollte, um sich noch zurückziehen zu können – sollte die Kugel von einem anderen gegeben werden, oder bevorzugte es derjenige, die wahlweise letzte Kugel oder Granate selbst auszulösen? Wir kannten die Geschichten von den Folterungen, hatten die Warnungen Russlands über den Umgang mit Internationalen gehört, und zudem waren wir in einem Bataillon, bei dem bekannt war, dass die Russen von ihm keine Gefangenen machten. In so einer Situation darüber zu reden, ob man erschossen werden oder sich selbst die Kugel geben will, ist anders, als man es erwartet. Kein langes Herumlavieren, sondern ein gefasstes Treffen der eigenen Entscheidung, gegebenenfalls mit einem flauen Gefühl in der Magengegend angesichts der Wahrscheinlichkeit, dass sich die Entscheidung tatsächlich erfüllen wird.
Jeder gab seine eigene Antwort, dann hieß es: Raus ins Ungewisse. Man muss dabeigewesen sein, um einen Eindruck von der Stimmung zu bekommen, als das Geräusch des Durchladens der Kalaschnikows den Keller erfüllte. Der Ausdruck auf den Gesichtern kurz vor dem Aufbruch lässt sich nicht beschreiben, es waren ganz eigene Mimiken. Eine Mischung aus Ernst, Angst und Entschlossenheit. Der Tod war keine Abstraktion mehr, sondern auf einmal sehr realistisch und gefühlt sehr nah. Einige kurze Absprachen, wer welche Position einnehmen solle, und dann raus, raus aus dem Keller und durch das Dorf.
Der trügerische friedliche Eindruck vom Vortrag war vergangen, statt Vogelgezwitscher erfüllten die Geräusche des Kampfes die Luft. Fast an jeder Ecke brannte es, die Geruchsmischung aus Feuer, Staub und Schwarzpulver drang in unsere Nasen. Hunderte Meter rückten wir durch zerstörte Gärten und in der Deckung halb zerfallener Häuser vor, immer weiter in Richtung der Explosionen. Im Hauptquartier, nicht viel mehr als ein größeres Haus, trafen wir die anderen Internationalen. Kaum hatten wir uns begrüßt und einen Überblick über die Lage verschafft, setzte intensives Feuer um uns herum ein, die vorher noch so fernen Einschläge lagen nun ganz nah. Wie lange wir dort waren, weiß ich nicht mehr, vielleicht war es nur eine halbe Stunde, vielleicht mehrere Stunden. So oder so gingen unzählige Geschosse rund um uns nieder, und wer bis dahin nicht an das Feuer gewöhnt gewesen war, war es spätestens danach.
Genaues wussten wir immer noch nicht, obwohl wir im Hauptquartier waren und ukrainische Offiziere sich bemühten, Anweisungen zur Zurückschlagung des Angriffes zu geben. Irgendwann traf der für die internationalen Kämpfer zuständige Ukrainer ein. Die Schule musste verstärkt werden – wer kam mit ihm? Alle. »Let’s Rock’n’Roll!«, war das Aufbruchssignal, wieder raus, wieder vorbei an Bränden, wieder schnelle Bewegungen von Deckung zu Deckung. Blindgänger ragten aus dem Boden, irgendwo wurde geschossen. Kurz vor der Schule setzte auf einmal das Artilleriefeuer wieder ein. Das schrille Pfeifen verriet, dass die Einschläge nahe liegen würden, Leute schrien Warnungen und warfen sich auf den Boden, irgendwo rund um uns explodierten die Granaten. Wir konnten die Schule schon sehen, von der Treppe des Kellereinganges winkte uns ein Ukrainer – »Dawei! Dawei!«, schrie er uns entgegen, während wir so schnell wie möglich auf ihn zu rannten, verfolgt von dem Pfeifen der Artilleriegranaten und ihren Explosionen.
Im rettenden Keller der Schule sind bereits zahlreiche Soldaten versammelt, über Computerbildschirme und eine Funkstation wird auch von hier aus die Verteidigung koordiniert. An den Wänden überraschend gute nationalistische Malereien, zwischen Panzerabwehrwaffen und Soldaten laufen Hunde und sogar eine Ziege herum, die hier genauso wie die Menschen Schutz vor der Artillerie suchen. Die Ziege wurde »Kadyrow« getauft, weil sie »völlig nutzlos ist und nur Sachen kaputt macht«, wie mir einer der Ukrainer erklärte. Immer wieder wurde das Gebäude von Treffern erschüttert, Sand und Staub rieselten bei jedem Einschlag von der Decke. Bei jeder Meldung über einen weiteren abgeschossenen Panzer erfüllte Jubel den Raum, dessen Maximum bei der Botschaft von der Erbeutung eines BMP (eines russischen Schützenpanzers) erreicht wurde. Wir warteten, ob die feindlichen Panzer die Schule angreifen und wir wie bewaffnete Ameisen aus ihren Kellergängen ausschwärmen würden, aber der Angriff konnte abgewehrt werden, wie durch ein Wunder sogar ohne eigene Verluste.
Die erste Möglichkeit, uns etwas auszuruhen. Dennoch war es nicht das Ende des Tages, die vorgeschobenen Stellungen mussten auch in der Nacht besetzt werden, und ich ging mit in eine dieser Positionen. Eine große Lagerhalle samt Werkstatt für Traktoren wurde unser Nachtdomizil. Mit Wärmebildgeräten wurde die Umgebung beobachtet, Geräte, über die freilich auch die russischen Panzer verfügten. Mehrere Verluste sollten darauf zurückgehen, dass Soldaten allen Warnungen zum Trotz nachts ihre Stellungen verlassen hatten, um zu rauchen oder ähnliche Dummheiten zu begehen. Einer der internationalen Kämpfer, ein amerikanischer Veteran aus Afghanistan und dem Irak, hatte beispielsweise zwei junge ukrainische Freiwillige in seiner Stellung eindringlich über die Wärmebildkameras aufgeklärt. Dennoch waren sie zum Rauchen rausgegangen, ein leichtes Ziel für den irgendwo in der Dunkelheit wartenden russischen Panzer. Die Granate hatte sie zwar verfehlt, die Druckwelle war aber stark genug gewesen, sie dennoch zu töten. In einem anderen Fall waren bei einem direkten Treffer nur noch nicht mehr identifizierbare Fetzen übrig geblieben. Nicht gerade die tollsten Aussichten für die Nacht.
Auch hier wurden wir beschossen, die Granaten, Mörser und »Grad«-Raketen war ich nach dem stundenlangen Feuer bereits gewohnt. Zum ersten Mal aber sah ich in dieser Nacht den weißen Phosphor vom Himmel regnen. Wie langsam herunterschwebende Sterne erhellte er die Dunkelheit, lautlos und fast schon glitzernd, gefühlt nur 20 Meter von unserer Stellung entfernt. Die Schönheit ist kaum zu beschreiben, und bei seinem Anblick würde man am Liebsten irgendwo in sicherer Distanz auf einer Parkbank seine Freundin in den Arm nehmen. So schön, wie er ist, so tödlich ist er aber auch. Löschen kann man ihn nicht, unter Wasser geht er zwar aus, entflammt aber mit dem ersten Sauerstoffkontakt sofort wieder neu. Wird man von ihm getroffen, hilft nur ein schnelles, großzügiges Herausschneiden, bevor sich die Chemikalie durch den Körper in den Blutkreislauf frisst. So zumindest wurde es uns erklärt, und die Bilder der durch ihn verstümmelten Opfer gaben einen Eindruck von der Praxis.
Lange blieb aber keine Zeit, die Schönheit dieses hundertsten Versuches, uns umzubringen, zu betrachten, denn nur einige Sekunden versetzt schlugen die ersten Panzergranaten ein. Im Gegensatz zu den Artilleriegranaten hörte man hier nicht ein mehrere Sekunden langes Pfeifen, es begann mit dem Geräusch des Abschusses, und je nach Distanz erfolgte bereits eine oder zwei Sekunden später der Einschlag. Der Klang der heranfliegenden Granate unterschied sich zudem von dem der Artillerie, und man brauchte nur oft genug von den verschiedenen Waffensystemen beschossen zu werden, um die einzelnen Instrumente der Sinfonie des Krieges identifizieren zu können. Weil ein Panzer allein dann doch etwas zu langweilig war, gesellte sich ihm ein zweiter hinzu. Minutenlang beschossen sie unsere Lagerhalle, sich offensichtlich nicht im Klaren darüber, wo genau in diesem riesigen Komplex wir uns aufhielten.
Wir bezogen den sichersten Ort, die über Treppen zugängliche Auslassung im Boden, die unter normalen Umständen dem Gang unter einen zu reparierenden Traktor diente. In einem nicht identifizierbaren Schlammgemisch saßen wir, wartend, minutenlang dem Takt der Abschüsse und den Einschlägen der Granaten lauschend. Irgendwann suchten sich die Panzer ein anderes Ziel. Der erste Tag war um – »We are alright let’s just get through the night.«
Anmerkung des Verlags: Die Fotokamera unseres Kriegsberichterstatters wurde im Laufe dieser ersten Tage an der Front unwiederbringlich zerstört. Wir mussten, anders als in vorherigen Tagebuch-Einträgen, daher auf wenige Fotos seines Mobiltelefons zurückgreifen. Als Ausgleich hat uns der befreundete Journalist Mario Alexander Müller, der als Fotograf für einige Tage am selben Frontabschnitt unterwegs war, eine Auswahl seiner Fotos zur Verfügung gestellt. Sie sind dementsprechend gekennzeichnet.
Ein Gedanke zu „Ukraine-Tagebuch (XIV) – Der erste Tag an der Front“