Das Bauhaus (2) – eine Replik auf Claus Wolfschlag

Vor einigen Wochen führte eine Diskussion im kleinen Kreis zu dem Entschluss, mich in einem Artikel mit dem Bauhaus zu beschäftigen und dabei auf die häufigsten Kritikpunkte, die auch in besagter Diskussion ins Feld geführt wurden, näher einzugehen. Dieser Artikel wurde dann am 18. Mai auf dem Weblog des Jungeuropa Verlags veröffentlicht. Die Reaktionen waren ambivalent, aber bedauerlicherweise bisweilen von jener Polemik überlagert, die ich in Bezug auf das Bauhaus diagnostizierte – und die diesem nicht gerecht wird. Eine erwähnenswerte Ausnahme war die Erwiderung Claus-Martin Wolfschlags, die am 25. Juni bei Sezession im Netz erschien. Einiges Kritisierte wird eingeräumt, anderem muss indes entschlossen entgegengetreten werden.

Von Wolfschlags Verzerrungen

Wolfschlag führt meinen Bauhaus-Artikel als Anlass zu seinen Äußerungen an, jedoch lässt er erstaunlicherweise just die entscheidenden Sätze und Aussagen unter den Tisch fallen – womit meine Aussagen mindestens missverständlich wirken. 

Schon im ersten Absatz äußere ich mich eindeutig dahingehend, dass mein Artikel das Bauhaus nicht glorifizieren soll, sondern dass ich es lediglich aus der Zeit heraus verstanden wissen möchte; als ein Versuch, etwas gänzlich Neues zu schaffen, wofür ein ungeheurer Aufwand an Theorie betrieben und unbändiger Wille aufgebracht wurde, wie es heute kaum mehr üblich ist. Dass dem so ist, legt mir unter anderem meine Erfahrung in mehreren Architekturbüros in Deutschland, Österreich und Namibia nahe, in denen ich über die Jahre, teils als Praktikant, teils als Vollzeitkraft arbeitete und vom Neubau von Universitätsgebäuden über Kirchen- und Schulsanierungen bis zum klassischen Einfamilienhaus einen großen Einblick in das derzeitige Treiben der Architekturbüros gewinnen konnte.

Mein Ansinnen war es, die Kritik am Bauhaus, die von rechts geübt wird, auf ein sachliches und würdiges Niveau zu heben und die häufigsten und gleichsam populärsten Anwürfe zu entkräften. Wolfschlags Kritik am Bauhaus erachte ich als legitim, allerdings stellt sie, wie schon eingangs erwähnt, eine seltene Ausnahme dar. 

Mir modernistische Apologetik vorzuwerfen, ist schlichtweg Unsinn – eingedenk der Passagen meines Textes, die Wolfschlag wohl aus taktischen Gründen überlesen hat. Als er etwa auf das Steildach eingeht, unterläuft ihm ein Lapsus, wenn er von dessen symbolischer Bedeutung spricht. Ursprünglich war das Steildach eine Reaktion auf den Niederschlag in seinen Aggregatszuständen Regen und Schnee und deren regionaler Häufigkeit und Intensität. Daraus ergeben sich die regional verschiedenen Dachneigungen. Heutzutage besteht keine Notwendigkeit mehr, ein Steildach zu errichten – außer eben als Symbol. Daraus erwachsen dann bisweilen krude Mischkulanzen aus verschiedensten Dachneigungen, die dem Auge nicht behagen. 

Die Tristesse, die ich in meinem Artikel erwähnte und auf die Wolfschlag unter anderem eingeht, bezog ich eindeutig auf die Sicht des seinerzeitigen Planers und nicht auf die Wahrnehmung heutiger Nutzer. Dass Gründerzeitgrundrisse für Nutzer sehr optimal sind, stellte ich nirgendwo in Abrede. Für einen Architekten war es faktisch in höchstem Maße langweilig, stets denselben Grundriss immer und immer wieder zu reproduzieren und in der Fassadengestaltung den Bauherren aus einem Katalog von einer Handvoll an frühere Baustile erinnernde Elemente wählen zu lassen, die dann völlig wild aneinander geputzt wurden. Diese Art der Planung machte damals keine Freude – und macht es auch heute nicht.

Als letzten Wolfschlag-Punkt möchte ich hervorheben, dass ich das Bauhaus zu keinem Zeitpunkt als »Vorbild« für die »Neue Rechte« empfohlen habe. Ich habe mich lediglich dafür ausgesprochen – und tue dies nach wie vor –, dass man sich  an der Art und Weise, wie am Bauhaus gedacht, gelehrt, gearbeitet und vor allem entworfen wurde, eine Scheibe abschneiden kann – gerne auch zwei.

Vom Bauhaus und dem Historismus

Gehen wir einen Schritt zurück, und zwar zurück zum Historismus, der von konservativer Seite allenthalben hoch gelobt wird. Im Gegensatz zum Bauhaus sei dieser »der Tradition« verhaftet (nur Konservative wissen, was auch immer das heißen mag), sei nicht geschichtslos und auch nicht gesichtslos. Dem geneigten Historismus-Fan sei ans Herz gelegt, einmal nach »Historismus« im Netz zu suchen und sich dann auf Grund der Bilder von Fassaden die Frage zu beantworten, wo dieses konkrete Gebäude denn heute stehen mag.

So viel sei verraten: Es ist schlichtweg nicht möglich, den konkreten Standort anhand der Fassaden zu bestimmen. Die »Ortlosigkeit«, die dem Bauhaus immer nachgesagt wird, findet im Historismus seinen Lehrmeister. Der historistische Stil, der in Wahrheit keiner ist, ist nicht mehr und nicht weniger als die kitschige Variante dessen, was von dessen Apologeten dem Bauhaus vorgeworfen wird. Auf dem Weblog quintacolumna bringt dies der Autor des Artikels »Die große Müdigkeit. Von der Ausbreitung des Reaktionären« wie folgt auf den Punkt:

»In der Kunst, stellvertretend in der Architektur, zeigt sich das Reaktionäre im Gründerzeitstil. Noch einmal werden fast alle Stile des Abendlandes und der Antike hervorgeholt und sozusagen ›stil-los‹ rekombiniert. Einen darüber hinausgehenden, eigenständigen Stil, vermag die Epoche nicht mehr zu prägen. Dafür endet die reaktionäre Kunst jäh mit dem endgültigen Zusammenbruch 1918 – die Moderne übernimmt auch diesen Bereich. In Nietzsches Unzeitgemäßen Betrachtungen, und nicht nur darin, können wir viel von jenem starren Geist erahnen, der später als charakteristisch für den Wilhelminismus gilt und der auch die einst revolutionären Studentenverbindungen erfasste, wovon Heinrich Manns Roman Der Untertan persiflierend erzählt.«

Der von Wolfschlag ins Feld geführte Vorwurf der industriellen Serienfertigung als Ziel des Bauhauses greift überdies nicht wirklich, da es Walter Gropius – als auch den Vertretern der ersten Bauhaus-Phase – tatsächlich um das Wiedererstarken des Kunsthandwerks ging, wie sie dies aus England von der »Arts and Craft«-Bewegung kannten.

Vom volksnahen Bauhaus unter Meyer

In der Formensprache sollte das Bauhaus primär neu sein. Dass man dafür mit allem Dagewesenen brechen muss, liegt in der Natur der Sache. Der in meinem ersten Artikel erwähnte zweite Bauhaus-Direktor Hannes Meyer stellte Wissenschaft und Empirie rund um den Menschen – und damit letztendlich diesen selbst – ins Zentrum jedes Entwurfes. Seine Person widerspricht auch dem Anwurf, die Bauhäusler seien weltfremde und abgehobene Künstler ohne Erdung. Er stellte stets »Volksbedarf« über »Luxusbedarf« und entwarf unter der Maxime, dem zukünftigen Nutzer größtmögliche Qualität zu bieten, ohne dass daraus teures Wohnen resultierte.

Gespart wurde dafür am Äußeren: Verzicht auf ornamentalen Putz und Stuck, niederere Raumhöhen und ähnliches. Doch was ist für den Nutzer eines Gebäudes wichtiger? Ein qualitativ hochwertiger Grundriss und diesbezüglicher Fortschritt wie eigenes Bad und WC oder schöner Stuck und historistische Fassadenspielereien nebst hohen Räumen, die damals auch schon teuer zu beheizen waren, dafür aber das WC am Gang und das Bad in der städtischen Badeanstalt? 

Dass die anfänglich gefundenen Formen hier nicht der Weisheit letzter Schluss waren, und von den Schöpfern auch nicht als das begriffen wurden, sei nur am Rande erwähnt. Auch hierzu sei zitiert aus quintacolumna:

»Wenn wir bloß an überkommenen Stilen, Sitten und Gewohnheiten festhalten, wenn wir es uns zu einfach machen, verkennen wir die Lage. Man kann sich noch hundertfach eine Tracht im modernen Getümmel überziehen oder sich als Deus-Vult-Ritter im Plattenbau wähnen. Man kann noch tausendfach ein Landschaftsfoto in einem sozialen Netz postieren und ›Heimat‹ mit Herz-Emoji darunter apostrophieren. Man kann immer wieder vom Rückzug in eine agrarische Wald- und Wiesen-Romantik träumen. Doch was ist das? Ein neues Biedermeier, ein Neohistorismus, eine Art Leichenfledderei, ein Cargo-Kult, ein Rollenspiel befremdlicher Art, unpolitisch, unauthentisch, Kitsch, eine Farce an sich selbst und ein Frevel am Gewesenen. Reaktionär.«

Vom konservativen Schneckenhaus

Wir leben nach wie vor – oder wieder – in einer Zeit stilistischen Umbruchs. Das Ende ist längst erreicht, Neues bricht sich Bahn. Wir können die Chance ergreifen und Neues selbst gestalten oder uns ins konservative Schneckenhaus zurückziehen. Das geht an der Realität vorbei. Neues lässt sich nicht erfinden, es muss sich entwickeln. Hierbei kann ein radikaler Bruch mit allem Überkommenen hilfreich sein. Wenn es eine – wie auch immer geartete – »Ewige Ordnung« gibt, wird sich diese ohnehin wieder Bahn brechen. Bewusst lässt sich dies nicht schaffen. Gebautes folgt immer Gedachtem – und hier liegt gesamtgesellschaftlich betrachtet alles im Argen. Wählen wir in Anlehnung an Marinetti den Salto Mortale in eine goldene Zukunft statt die Rolle rückwärts in eine verklärte, romantisierte, imaginierte Vergangenheit.

(Autor: Jörg Dittus)

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