Heute muss ich Ihnen, liebe Leser, eine traurige Mitteilung machen: Unser Autor Mykola Krawtschenko ist im Laufe des gestrigen Tages bei Bucha, rund 60 Kilometer von Kiew entfernt, durch russisches Artilleriefeuer gefallen. Mykola war laut ersten Meldungen seiner Kameraden gerade auf dem Weg, eine Gruppe Journalisten in seinem PKW zu »eskortieren«, als die Raketen einer russischen BM-21 ihr Ziel fanden.
Nur wenige Tage zuvor, am 3. März 2022, war bereits Mykolas Vater in Charkiw gefallen. Er griff als 61-Jähriger für den sogenannten Heimatschutz zur Waffe und verteidigte seine Geburtsstadt bis zuletzt.
Die Ukraine hat in diesem März zwei mutige und selbstlose Männer verloren – ganz gleich, wie man sich in diesem Krieg selbst positionieren mag. Wir werden ihr Andenken bewahren.
Als Intellektueller an der Front und auf den Barrikaden
Mykola Krawtschenko, von Freund und Feind auch »Kruk« (Rabe) genannt, ist vielen von Ihnen als Autor eines exklusiven deutschen Vorwortes für unsere Übersetzung der Natiokratie bekannt. Er war Jahrgang 1983 und studierte zunächst Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Management und Geschichte in Charkiw. Im Anschluss wurde er am Historischen Institut der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine (Kiew) promoviert.
Nach seinem Studium gründete Krawtschenko mit weiteren Freiwilligen, die am bewaffneten Konflikt im Donbass beteiligt waren, den Verlag Orientyr. Dieses erste »Veteranen-Verlagshaus« der Ukraine leitete er bis März 2022.
»Kruk« war zudem während der »Revolution der Würde« maßgeblich an der erfolgreichen Koordination und Planung des Widerstands in der Hauptstadt beteiligt. Seit 2005 war er Mitglied verschiedener Führungsgremien nonkonformer Parteien und Organisationen in seinem Heimatland.
Gestern hat sein Leben ein Ende gefunden. Europa verliert zweifellos einen selbstlosen Aktivisten und Intellektuellen – und wir einen unserer Autoren.
Das, liebe Leser, ist die Realität dieses Krieges – auf beiden Seiten sterben gute junge Männer für eine Idee. Dass wir sie an einer anderen Front schmerzlich vermissen werden, ist ein Fakt. Ich mahne umso mehr zur »kühlen Scham« (Götz Kubitschek) und zur verbalen Zurückhaltung aus den heimischen vier Wänden.
(Autor: Philip Stein)
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