Der Jungeuropa Verlag ist kein gewöhnlicher Verlag. Sein Daseinszweck ist nicht nur die Konzeption, Gestaltung und Herausgabe von Büchern. Wir sind auch, als politisch engagierte Kernmannschaft, die diesen Verlag ausmacht, gewichtiger Teil eines wachsenden Milieus. Dieses wächst, indem insbesondere junge Nonkonformisten unterschiedlicher weltanschaulicher Herkunft zu uns und unserem Weg finden. Der aktuelle Konflikt um die Ukraine – Westbindung, Neutralität, Ostbindung? – lässt dabei auch in unseren Reihen niemanden kalt. Man diskutiert, man streitet, aber: Man versteht das jeweilige Gegenüber.
Das ist insofern natürlich, als dass wir nicht, wie einige »patriotische« Sprechpuppen der NATO oder auch – weniger in der Zahl – des Kremls, die Ukraine erst seit einer Woche auf Europas Landkarte entdeckt haben. Für uns ist die Beschäftigung mit der ukrainischen Frage Teil unserer Arbeit an der europäischen Frage.
Am 3. April 2020 veröffentlichten wir als Verlag mit Natiokratie von Mykola Sziborskyj das »Manifest des ukrainischen Nationalismus«. Diese schwierige Übersetzung, die mehrere Jahre in Anspruch genommen hat, konnten wir nur durch einen ständigen Austausch mit Freunden aus der Ukraine bewerkstelligen; Freunden, die an der Front waren – und es auch heute wieder sind. Wir haben lange darüber gesprochen, warum dort gekämpft wird, welche Motivation sie antreibt und in welcher geopolitischen Situation sich die Ukraine eigentlich befindet. Auf einen »geopolitischen Nenner« sind wir nie gekommen, das darf man einräumen. Gleichwohl haben wir als Verlag den Kampf der Ukrainer immer »verstanden«, historisch-realistisch nachvollziehen können. Das Buch von Mykola Sziborskyj war dafür mindestens zum Teil verantwortlich.
Fest steht daher: Wir sind solidarisch mit unseren Freunden, respektieren ihr Opfer und ihre Leidenschaft. Und vor allem maßen wir uns aus unserem gemütlichen Zuhause kein Urteil an über jene, die an der Front stehen. Zu verleugnen, dass hier »zwei Ebenen« betrachtet werden müssen, wäre unaufrichtig. Denn obwohl wir solidarisch mit unseren Freunden in der Ukraine sind, müssen wir konstatieren, dass dieser geopolitisch eine bittere Rolle als Rammbock fremder Interessen zugewiesen wurde. Heute will man die Ukraine »nur« von Russland fernhalten, morgen will man sie offensiv in die EU aufnehmen und übermorgen dann NATO-Truppen vor der russischen Grenze stationieren? Es ist eine Tragödie. Am Ende werden auf beiden Seiten jene verlieren, die Idealismus in sich tragen und überzeugt sind, für die je richtige Sache zu kämpfen. Wenn der Konflikt »vorbei« ist, wird man sie fallen lassen, vielleicht sogar kriminalisieren.
Ein weiteres Problem an der ganzen Sache ist dies: Der heroische Widerstand der ukrainischen Nationalbewegung, den man subjektiv respektieren muss und den wir bewundern, könnte objektiv – und langfristig – zur Ausweitung des linksliberalen, antieuropäischen Globalismus der Europäischen Union führen. Ein Sieg der Ukraine in diesem Krieg wird als ein Sieg des Westens bewertet werden – und das ist bitter für das ukrainische Volk, wenn man nicht nur in kurzen Phasen der Geschichte denkt.
Tragisch bleibt: Ein Sieg des Westens treibt die Westintegration an, und dieses uns allen seit der Reeducation bekannte Problem des »Westlertums« wird dann, nach dem eventuellen Sieg über Putins – offensives und aggressives – Russland, die eben noch heuchlerisch gefeierten ukrainischen nationalen Bestände so abtragen wie es hier und anderswo bereits mit den unsrigen nationalen Beständen geschehen ist. Eine These wäre: Heute hisst man die Azow-Fahne, morgen erfolgt die EU- und US-Unterordnung, übermorgen gibt es dann mehr oder weniger verpflichtend LGBTQ-Paraden in Kiew und Multikulturalismus von Lemberg bis Donezk.
Wer in unserer gemeinsamen Heimat Europa den Globalismus überwinden will, muss, im Sinne Alain de Benoists, eine Scheidung in Haupt- und Nebengegner vornehmen. Er muss diesbezüglich das Folgende bedenken: Alles, was den »letzten Hegemon«, die USA, und seine linksliberalen Statthalter in EU-Europa schwächt, könnte ein kleiner Schritt zur europäischen Gesundung, zur europäischen Wiedergeburt sein. Vieles, was die »Woke Internationale« schwächt, ist somit eine Voraussetzung zu einer Verbesserung der misslichen Lage, in der wir leben. Daher wäre eine totale Niederlage Russlands nun besonders fatal. Der Globalismus hätte sich eine weitere Nation – ausgerechnet die heroische Ukraine – genommen. Und das wäre, wie man in Deutschland, Frankreich und weiteren Ländern sieht, folgenschwer, vielleicht sogar irreparabel.
Wie also weiter? Das wissen wir nicht. Wir diskutieren die Lage, erörtern sie intern und extern, mit Freunden aus der Ukraine und mit Experten aus Russland.
Was wir wissen: Manche unserer Weggefährten sind parteiischer als wir. Sie bekennen sich beispielsweise vorbehaltslos zur ukrainischen Sache. Auch das gehört zur Wahrheit. Einer von ihnen ist in die Konfliktregion gereist. Er wird fortan exklusiv für den Jungeuropa-Blog berichten. Wir sind damit das einzige Medium des deutschen »rechten« Lagers mit einem Vor-Ort-Berichterstatter. Seine klare Parteinahme für die ukrainische Nationalbewegung entspricht nicht eins zu eins der unsrigen; den ambivalenten Standpunkt der Kernmannschaft des Jungeuropa Verlages haben wir bereits skizziert. Aber sie, diese Parteinahme für den Kampf der Ukraine, hat selbstverständlich auch ihren Platz bei uns. Denn europäische Herzen, die brennen, müssen gehört – beziehungsweise: gelesen – werden.
Im ersten Blogbeitrag begleiten wir unseren Protagonisten bei seinem Entschluss zur Reise in die Ukraine – und zwar hier!
Egal, wie man zu dem Azow Bataillon und den ukrainischen Nationalisten steht, ihre Stimme sollte gehört werden. Insofern finde ich Euren Podcast hochinteressant. Euer Korrespondent mokiert sich über die Hipster Nationalisten, Recht hat er!
Wollte eigentlich Hipster Journalisten schreiben. Schließlich und endlich muss ich bekennen, Kontakt zur anderen Seite, dem Donbass gehabt zu haben. Die Besten dort hat der FSB in der Folge nach und nach liquidiert. Vom Typus her scheinen mir sie austauschbar mit ihren ukrainischen Gegnern zu sein. Zumindest nach dem, was ich in Eurem Podcast gelesen habe.