Der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron weigerte sich vergangene Woche klarzustellen, dass er den ehemaligen Außenminister Joschka Fischer nicht als Arschloch bezeichnet habe.
Damit ist der seriöseste Teil der Bundestagsdebatte abgehandelt, die am 16. Januar 2020 vor den bestenfalls zu einem Viertel gefüllten Rängen des Plenarsaals über den Fortbestand des amerikanischen Luftwaffenstützpunktes in Ramstein beriet (hier ab S. 17565).
Die Linke hatte den Antrag gestellt, den Luftwaffenstützpunkt Ramstein zu schließen. Die Grünen begnügten sich damit, die Bundesregierung aufzufordern, irgendwie sicherzustellen, dass die Vereinigten Staaten illegale Tötungen über Ramstein künftig unterlassen sowie die deutsche Außenpolitik einer Verwaltungsgerichtsbarkeit zu unterwerfen, vor der jeder Mensch dieser Erde, der oder dessen Angehörige von einem unserer Verbündeten beschossen wurden, klageberechtigt sein soll.
Es war eine Schmierenkomödie aller Seiten, die weder den Willen zur Souveränität noch die geistigen Fähigkeiten zu ihrer Wahrnehmung erkennen ließ – sollte sie einem durch ein günstiges Geschick doch in den Schoß fallen.
Ramstein, Soleimani, Souveränität
Auf dem Luftwaffenstützpunk Ramstein befindet sich eine Relaisstation, die über ein Glasfaserkabel mit den Vereinigten Staaten verbunden ist und den Kontakt zwischen in Amerika stationierten Piloten und Drohnen über Europa und dem Mittleren Osten herstellt. Meine persönliche Vermutung lautet, dass die Vereinigten Staaten allein der Bundesrepublik zutrauen, dieses Glasfaserkabel nicht auszulesen, obwohl dies technisch ohne weiteres möglich wäre und von den USA auch rund um den Globus mit unterseeisch verlegten Glasfaserkabeln getan wird. Ich vermute weiterhin, dass die breite Mehrheit unserer Politdarsteller dieses Vertrauen auch noch als Lob empfindet.
Konkreter Anlass für diese Debatte war natürlich die Ermordung des iranischen Generals Soleimani (hier und hier), doch beide Anträge stammen noch aus dem letzten Jahr. Nun kann man die amerikanischen Truppen nur im Rahmen einer umfassenden sicherheitspolitischen Neuorientierung von deutschem Boden verweisen. Ansätze zu einer solchen sind weder bei den Linken noch bei den Grünen vorhanden. Bei ersteren nicht, weil sie sich auf Bundesebene dauerhaft mit der Rolle einer letztlich bedeutungslosen Oppositionsfraktion abgefunden haben. Bei letzteren nicht, weil sie eine Ende der Westbindung gar nicht anstreben.
Beide stellten jene Art von Oppositionsanträgen, die ausschließlich der Rechtfertigung vor der eigenen Wählerschaft dienen, weil sie niemals auf die Tagesordnung kämen, wären die notwendigen Stimmen tatsächlich vorhanden. Sie waren noch heuchlerischer als die Versicherung des Unionsabgeordneten Reinhard Brandl, er habe »in unsere Bündnispartner ein Grundvertrauen, nämlich erstens, dass sie sich an Zusagen, an Regeln halten, und zweitens, dass das, was sie uns sagen, auch korrekt ist.«
Soleimani und die iranischen Hintermänner
Kommen wir zur Stellungnahme des AfD-Abgeordneten Petr Bystron, die abgesehen von den Verbalinjurien gegen den Industrielobbyisten mit bewegter Vergangenheit, Joschka Fischer, auch nicht ruhmreicher war.
Seine Feststellung, dass die Grünen, denen wir die deutsche Beteiligung am Kosovokrieg mitverdanken, keinerlei Probleme mit völkerrechtswidrigen Kriegen haben, ist nicht neu, verdient jedoch beständiger Wiederholung. Hätte er danach geschwiegen, wäre er ein Staatsmann geblieben.
Stattdessen erging er sich in der größten Clownnummer des an schlechten Komikern reichen Abends. Er begann mit einem Monolog über die angeblichen Greueltaten des »Terroristen« Soleimani und wiederholte einmal mehr das Märchen, dass die Hintermänner des wahhabitischen und salafistischen Terrorismus im Iran und nicht etwa in Saudi-Arabien zu suchen seien (eine andere mögliche Interpretation dieses etwas wirren Teils seiner Rede ist, dass jede Kampftruppe, die Herrn Bystron nicht passt, »Terroristen« sind).
Das ist schon schlimm genug, denn wer nicht versteht, dass ein Mann mit Soleimanis Lebenslauf für viele Menschen ein Held ist, unabhängig davon, was man von der Regierung im Iran halten mag, für die er kämpfte, ist ein ehrloser Kamerad, der zeigt, dass seine Mentalität sich nicht im mindesten von der der Antifa unterscheidet.
Zudem sollte es einem auch peinlich sein, sich von den Grünen über die völkerrechtliche Einordnung der Ermordung von Repräsentanten ausländischer Staaten schulmeistern lassen zu müssen.
Der Iran, Bystron und die Twitter-Dissidenten
Doch bis dahin hatte sich Bystrons Auftritt noch im Rahmen des Abendprogramms gehalten. Deutlich über die von den etablierten Parteien vorgelegte Peinlichkeit schoss er erst hinaus, als er begann, Twitter-Nachrichten vorzulesen, die angeblich von Iranern aus dem Iran und nicht von solchen aus dem Exil stammten.
Diese Iraner hatte er, der Bundestagsabgeordnete Bystron, auf Twitter befragt und zur Antwort die Aufforderung erhalten, diese Iraner bei ihrem Kampf gegen die eigene Regierung zu unterstützen.
Auch hier herrscht heillose Verwirrung. Handelt es sich bei der iranischen Regierung nun um ein blutrünstiges Mullah-Regime, das wahllos Dissidenten ermordet, oder können Regimegegner aus dem Iran problemlos Tweets mit der Aufforderung, die Regierung zu stürzen, an subalterne AfD-Transatlantiker versenden? Bystron wird sich entscheiden müssen, nicht nur hier.
Nach der Schlussfolgerung, es sei »das Gebot der Stunde: an der Seite der Amerikaner dem iranischen Volk zu helfen«, endete glücklicherweise Bystrons Redezeit.
Wer ist hier eigentlich der Souverän?
Es ist inzwischen ermüdend, es wieder und wieder durchkauen zu müssen:
- Der Iran unterhält zwar Milizen in einigen der ihn umgebenden gescheiterten Staaten, aber er hat niemals den Terrorismus unterstützt, der uns in Europa bedroht.
- Es widerspricht dem deutschen und europäischen Interesse, den einzigen stabilen Staat zwischen der Levante und der indischen Grenze zu zerschlagen. Vor Chaos in dieser Region können wir uns weit schlechter isolieren als die Vereinigten Staaten, die es sich am Ende des Tages leisten können, den Mittleren Osten als Spielball ihrer Innenpolitik zu behandeln.
- Natürlich gibt es im Iran Menschen, die die Ajatollahs unterstützen und andere, die sie zum Teufel wünschen. Doch auch von letzteren würde nur ein kleiner Teil eine ausländische Intervention unterstützen. Außerhalb von Bystrons Twitterverlauf sind die prowestlichen Iraner eine winzige Minderheit, vergleichbar mit diesem PEGIDA-Demonstranten, der mit einem »Putin Hilf!«-Schild herumlief.
Um zu der Stützpunktfrage zurückzukommen: In der Iran-Sache entscheidet sich die deutsche Souveränität nicht am Stützpunkt Ramstein, der gegen Deutschland selbst gar keinen militärischen Wert hätte. Wenn wir schon in der transatlantischen Allianz sind, dann ist es immer noch besser, diese Anlange befindet sich in Deutschland als in einem jener osteuropäischen Staaten (Polen bewirbt sich schon), die sowieso die amerikanischen Esel in der Europäischen Union sind und die für uns unsinnige Konfrontationspolitik gegenüber Russland betreiben.
Unser unmittelbares Problem in dieser Angelegenheit sind die von der amerikanischen Regierung verhängten Sekundärsanktionen. Dass diese unseren Handel mit dem Iran zum Erliegen gebracht haben ist zwar wirtschaftlich verschmerzbar, aber die Drohung, deutsche Unternehmen in den Vereinigten Staaten wegen ihres Handels mit einem Drittland vor Gericht zu ziehen, ist grundsätzlich nicht hinnehmbar.
INSTEX: der europäische Hebel
Seit Anfang 2019 haben Deutschland, Frankreich und Großbritannien als Signatarstaaten des Atomwaffenabkommens mit dem Iran immerhin gemeinsam eine Zweckgesellschaft namens INSTEX (Instrument in Support of Trade Exchanges) gegründet, die den Handel mit dem Iran auf Basis des Gütertausches organisiert und somit amerikanische Drohungen gegen Banken, die Zahlungen mit dem Iran abwickeln, umgehen soll. Auf amerikanischen Druck wurde INSTEX aber wieder auf medizinische und andere humanitäre Güter beschränkt und hat zur Zeit nur etwa ein Handelsvolumen von zwei Millionen Dollar im Monat.
Aufgabe einer Opposition, die sich die Wahrung der deutsche Souveränität und Interessen auf die Fahne geschrieben hat, wäre darauf zu drängen, INSTEX auszubauen, vor allem aber endlich Gegenstrategien gegen die Zumutung amerikanischer Sekundärsanktionen zu entwickeln.
Letzteres wäre wegen des größeren wirtschaftlichen Drucks am besten im europäischen Rahmen zu bewerkstelligen. Möglich wäre zum Beispiel für den Fall, dass europäische Unternehmen in Amerika wegen Verletzung von Sekundärsanktionen vor Gericht gezogen werden, Eigentum amerikanischer Staatsbürger und Unternehmen in Europa zu beschlagnahmen und damit einen Entschädigungsfonds für die betroffenen europäischen Unternehmen zu gründen.
Diese Beschlagnahmungen sollten nicht willkürlich erfolgen, sondern anhand eines Indexes, der die Nähe amerikanischer Personen und Unternehmen zur jeweils amtierenden amerikanischen Regierung durch die Höhe direkter und indirekter (Super-PAC) Spendenzahlungen ermittelt. Donald Trump, oder wer immer dann US-Präsident ist, würde die Sekundärsanktionen aufheben, sobald man ihm einen Weg eröffnet, dabei halbwegs das Gesicht zu wahren.
Ein solcher Vorschlag wäre sinnvolle Oppositionsarbeit; anders als Gezeter gegen das »Mullah-Regime« und der Versuch, transatlantischer als die Unionsfraktion zu sein.
Und Ramstein? Ist nicht wichtig. Kann bis auf weiteres bleiben. Sollte sich jedoch einmal herausstellen, dass der BND tatsächlich die Finger von diesem Glasfaserkabel gelassen hat, wird es Zeit für einen Landesverratsprozess.
(Autor: Johannes Konstantin Poensgen)