Das Bauhaus (1) – eine Korrektur rechter »Kritik«

Heute ist der Geburtstag des Bauhaus-Gründers Walter Gropius. Zusammen mit Le Corbusier und weiteren Architekten gilt er als einer der Begründer der Modernen Architektur. Rechts der politischen Mitte wird das Bauhaus und mit ihm die Moderne Architektur fast vollumfassend abgelehnt und verschiedenartig kritisiert.  

Dieser Beitrag soll das Bauhaus und seine verschiedenen Versuche nicht glorifizieren, sondern die Kritik daran auf ein würdiges Niveau heben. Es rundheraus abzulehnen wird ihm nicht gerecht; es auf Flachdächer und Schuhkartonarchitektur zu reduzieren, sollte all jenen zu wenig sein, die sich als Kunstinteressierte gerieren. Das Bauhaus ist als ein Phänomen auch und vor allem aus der Zeit heraus zu begreifen, in welcher es versuchte, Neues zu schaffen – und dies mit einem Theoriehunger und einer Willenskraft, die heute schlichtweg nicht vorhanden sind.

Das Haus als Gesamtkunstwerk

Die Ursachen der Hässlichkeit im zeitgenössischen Bauen sind nicht im Bauhaus als solchem zu suchen und schon gar nicht zu finden. Diese hat ihre Ursache in der generellen Nicht-Würdigung der Kunst im Allgemeinen und des Handwerkes im Besonderen. Wo Wärmedämmverbundsysteme die »Gestaltung« der Fassaden übernehmen, macht es keinerlei Unterschied, ob das Dach die regionaltypische Neigung aufweist oder die Gestalt eines »Araberhauses« übernimmt. Wachsende Renditeorientierungen und das Streben, immer einfacher zu bauen, sind das eigentliche Problem. Beides sind freilich Aspekte, die nie auf der Agenda des Bauhauses standen – Handwerkskunst und der Ansatz, im Haus ein Gesamtkunstwerk zu sehen, waren maßgeblich.

»Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau! […] Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück! […] Der Künstler ist eine Steigerung des Handwerkers.«

Walter Gropius, »Bauhaus-Manifest«

Den Bauhaus-Stil gibt es überdies nicht, kann es nicht geben. Die Charaktere, ob nun Lehrer oder Schüler, sind hierfür viel zu unterschiedlich – und damit auch ihre Stile. Dazu bedürfte es aber zumindest eines Momentes des Einlassens auf etwas, das man auch durchaus kritisieren kann – dann aber inhaltlich richtig und intellektuell lauter. Man vergleiche allein die Werke der drei Direktoren Walter Gropius, Hannes Meyer und Ludwig Mies van der Rohe. Wer hier einen einheitlichen Stil findet, darf sich als nächstes an der Quadratur des Kreises versuchen.

Bauhaus-Gründer Walter Gropius

Man sollte generell einmal damit aufhören, nur nach Unzulänglichkeiten in den gebauten Zeugnissen der dem Bauhaus zuzuordnenden Architekten und Künstler zu suchen. Es lohnt sich, deren theoretisches Fundament und Herangehen näher zu betrachten und daraus auch Maximen für das zeitgenössische Bauen abzuleiten.

Holz, Ziegel und die Moderne

Der Bruch in der Formensprache, der durch das Aufkommen der Moderne zweifelsohne stattfand, ist nicht allein der Intention ihrer Repräsentanten geschuldet. Vielmehr war die ohnehin in Gang kommende Industrialisierung, der gesamtgesellschaftliche Umbruch aber auch der neue Baustoff Beton ursächlich, Dinge zu versuchen, die vorher – mit Holz und Ziegel – nicht realisierbar, aber längst in den Köpfen der Ingenieure und Baumeister virulent waren.

Es ist hier, wie stets in der Architekturgeschichte, die Frage, ob zuerst die Form oder der Geist war. Folgten die Bauwerke der Moderne also einem generellen Wunsch nach neuen Formen oder prägten sie einen Geist, der immer mehr dieser Formen sehen wollte?

Dem Bauen der Bauhäusler wird gemeinhin der Mangel an Verwurzelung in Ort, Zeit und Geschichte vorgeworfen. Darüber hinaus eine Verstärkung der ohnehin schon existent gewesenen Vereinfachung der Formensprache. Mit der Geschichte wollte man bewusst brechen. Man wollte eine neue Zeit einläuten und den Menschen in den planerischen Fokus rücken. Diesen Ansatz kann man schlecht als etwas Negatives bezeichnen und, vor dem Hintergrund der Tristesse der Neo-Ismen der Jahrhundertwende in planerischer Hinsicht wie auch der Fassadengestaltung, nur begrüßen.

Tristesse deshalb, da für die sich uns als besonders pittoresk darstellenden Häuser der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein und derselbe Grundriss immer und immer wieder kopiert wurde. Der Bauherr konnte sich dann den Stil in Form von Verputz und Ornament auf die Fassade klatschen lassen – eine gestalterische Ehrlichkeit, bei der sich die Konstruktion in der Fassadengestaltung et vice versaabbildet und erschließen lässt, gab es nicht. Dies war in der klassischen Antike anders und dies sollte in der Moderne wieder Anspruch sein.

Ein Schulgebäude als Ensemble der Zukunft

Wer geistig bereit ist, sich dem Bauhaus zu öffnen, und es zumindest auf sich wirken zu lassen, um Positives daraus zu ziehen und für den (politischen) Alltag zu übernehmen, dem sei ein Bauwerk besonders ans Herz gelegt: die Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes in Bernau bei Berlin. In den Jahren 1928 bis 1930 wurde nach Plänen von Hannes Meyer, dem zweiten Direktor des Bauhauses nach Walter Gropius, und Hans Wittwer in Zusammenarbeit mit Studenten des Bauhaus diese Lehranstalt für den Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB), einem Vorläufer des Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), errichtet. 

Lehranstalt für den Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB)

Meyer stellte in den Fokus des Entwurfs die zukünftigen Nutzer des Baus: Funktionäre und Mitglieder des ADGB, die dort in teils mehrwöchigen Lehrgängen unterrichtet werden sollten. Teil des Lehrkonzepts war es, die Schüler aus dem Alltag herauszuholen und ihnen geradezu ein Erlebnis zu bieten, an welches sie sich nachhaltig erinnern sollten. Sie sollten den Geist der Gemeinschaft, den sie dort neben den unterrichteten Kenntnissen, erfahren sollten, mit in ihre Arbeits- und Wirkungsstätte nehmen.

Es ist dies ein Ansatz, den man heute in Schulgebäuden vergebens sucht. Meyer entwarf ein Konzept von fünf Wohntrakten, vier davon für die Schüler, die je drei Wohnetagen mit je fünf Doppelzimmern beherbergten. Die 120 Schüler waren für Unterricht, Sport und Essen in feste Zehnergruppen unterteilt. Für den Bau wurden teils neue Materialien wie Stahlbeton und auch große Glas-Stahlfassaden verwandt, ins Auge fällt aber der für die Region typische Klinker. Ebenso fügt sich der Bau behutsam in die Landschaft und die Waldlichtung ein. Die Einrichtungsgegenstände entwarfen die Bauhaus-Schüler und so passt alles ineinander und zusammen.

Glas-Stahlfassaden im Flur der Einrichtung

Auch heute noch ist das Ensemble, trotz zahlreicher Zubauten aus verschiedenen Epochen, ein Kleinod seiner Zeit und einen Ausflug wert. Hier wurde nicht menschenfeindlich und ahistorisch gebaut und geplant, sondern Mensch und Bau wieder ins richtige Verhältnis zueinander gebracht. Diese Neuadjustierung des Maßstabs täte auch heute wieder gut, steht doch längst nicht mehr der Mensch im Fokus der Planung, sondern im Regelfall die Rendite der Wohnbaugesellschaften und großer Immobilienkonzerne.

Der Moderne kann man sich – gleich einer Flutwelle – nicht entgegenstellen, in dem Glauben, diese damit aufhalten oder gar zurückdrängen zu können. Aber man kann sie reiten wie einen Tiger, sich deren Dynamik zu eigen machen und zum rechten Zeitpunkt den Absprung schaffen. Ein neues Europa wird nicht aus der konservativen Rückkehr zu einer überkommenen Formensprache erwachen. Es muss und wird seine eigenen, neuen Formen finden. Wir leben in einer Zeit des Umbruchs: Die alte Welt ist zusammengebrochen, die neue Welt zeigt uns noch nicht ihr Gesicht. Wir können dieses formen – gehen wir dies an! Die konzeptuellen Ansätze des Bauhauses können uns dabei helfen.

(Autor: Jörg Dittus)

3 Gedanken zu „Das Bauhaus (1) – eine Korrektur rechter »Kritik«“

  1. Selbst Freunde des Bauhauses kommen nicht umhin zu gestehen, dass die Lehrerhäuser nicht gerade der große Wurf waren.

    Bauhaus steht heute, anders als das historische Bauhaus, für eine zu Ideologie geronnene Moderne, für menschenfeindliches Bauen, das nichts mit dem sozialen Bewusstsein der Bauhaus-Architekten mehr zu tun hat. Und das Bauhaus ist nicht schuld am Hungerstil der Nachkriegsjahre, für das Zerstörungswerk der autogerechten Stadt, für die Vernichtung organisch gewachsener Weichbilder.

    Der Wille zur Überwindung der Moderne in ihrer zerstörerischen Aroganz ist wohl zuerst grünalternativen Bürgerbewegungen der 70er geschuldet. Bauhaus ist sozusagen auch ein ideologischer Komplex mit dem man kulturdiplomatisch die heute Moderne für die politische Linke gewinnen will. Dabei hat die Linke seit den 70ern den Ansatz aufgegeben „progressiv“ sein zu wollen, die Architektur hat das aber nie. „Vorwärts immer, rückwärts nimmer.“

    Was kann man denn vom Bauhaus lernen: Betonung des Handwerks. Betonung von Form und Funktion. Betonung des Zusammenspiels der Künste.

    Derzeit ist es unsere Aufgabe den mittelmäßigen architektonischen Schnellaufbau der Nachkriegsjahre zu berichtigen, bevor der Denkmalschutz gnadenlos zuschlägt. Das Mittelmaß, das man in Kassel in allen Schichten seiner Entwicklung in Reinform bewundern kann. Das hat nichts mit rechts oder links zu tun.

    Kassel kann ja als Museum davon stehenbleiben Natürlich wird man z.b.in Frankfurt weiter die Anmutung der Altstadt wiederherstellen, weil sie wertiger und formenreicher als 50er Jahre Sozialklötze in der Innenstadt sind.

    Mit Bauhaus hat das weniger zu tun. Mehr mit Vernunft, dass es das beste sein soll, und organische Formen besser sind als unverbundene Brüche.

    Auch das größte Grossmaul des Modernismus wird, wenn ihm jemand die Fresse einschlägt, Keramikimplantate sich einsetzen lassen die einen heilen Zustand imitieren statt die spannenden Brüche des gemeinen Angriffs auf seine Architekturauffassung in seinem Gebiß durch nackte viereckige Stahlstifte zu betonen. Was jetzt passieren muss, ist das Amalgam der Nachkriegsjahre durch was vernünftiges und teures zu ersetzen.

  2. Die ästhetische Armut der Form im Bauhaus wird dem menschlichen Anspruch nach Übergängen, Reiz und dem tiefer liegenden Sinn nach Harmonie nicht gerecht. Sicher spielte der Zwang zur Reduktion aus Kostengründen eine Rolle und man hätte vielleicht ähnliche Bauwerke bekommen, hätte es das Bauhaus nie gegeben.
    Allerdings ist es ein Irrtum die alte Formensprache als passé zu benennen. Die Wahrheit der alten Formen liegt in ihrer Übermittlung eines harmonischen Eindrucks, der an der organischen Vielfalt der mitteleuropäischen Natur orientiert ist, allerdings eine menschliche Annäherung an Komposition und Harmonie ausdrückt. Untersuchungen zeigen, dass die Menschen auch heute noch mehrheitlich die althergebrachte Architektur einer modernistischen Architektur vorziehen. Die scharfen Kanten im Bauhaus sind schneidend für den Geist, das stumpfe Insistieren auf dem Viereck wirkt unterentwickelt und blöde. Es tut regelrecht weh hinzuschauen.
    Balance, Harmonie, Reize, Übergänge, alles unbekannt beim Bauhaus.

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