Der junge, aufstrebende Autor und Politikwissenschaftler Benedikt Kaiser (Jahrgang 1987) publizierte in der Ausgabe IV/2016 des österreichischen Magazins Neue Ordnung (hier geht es zur Netzseite!) einen bemerkenswerten und kundigen Aufsatz über die zahlreichen europäischen Freiwilligen, die im Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) auf Seiten der nationalen Kräfte zu den Waffen griffen, um den Aufruhr der »Roten« niederzuschlagen und somit eine kommunistische Machtübernahme zu verhindern.
Passend zu unserer erst kürzlich erschienenen Novelle Die Kadetten des Alcázar (zum Vorwort oder gleich zum Buch), die den Leser direkt in die mythisch aufgeladenen Gefechte des Spanischen Bürgerkriegs entführt, veröffentlichen wir hier mit freundlicher Genehmigung der Neuen Ordnung diesen äußerst lesenswerten Aufsatz aus der Feder Benedikt Kaisers. Viel Vergnügen!
Für unseren Verlag steuerte Benedikt Kaiser u.a. die Vorworte zu Für eine positive Kritik von Dominique Venner sowie Die Unzulänglichen von Pierre Drieu la Rochelle bei. Außerdem haben wir mit Kaiser einen Podcast aufgezeichnet, der hier angehört werden kann: zum Podcast.
Jenseits der Internationalen Brigaden – Freiwillige für Spanien
von Benedikt Kaiser
Am 17. Juli 1936 putschten spanische Offiziere unter der Führung des späteren Staatschefs Francisco Franco gegen die gewählte republikanische Regierung; der latente Bürgerkrieg der gespaltenen Gesellschaft – der »zwei Spanien« – wurde zum offenen und bewaffneten Konflikt. Die Ursprünge für die Auseinandersetzungen zwischen dem (überwiegend) ländlichen, königstreuen, katholisch-konservativen und nationalen Lager auf der einen Seite und den unterschiedlichen linken Kräften der (überwiegend) urbanen Milieus auf der anderen Seite lagen zwar in der konkreten spanischen Historie und der sozialen Mißlage breiter Schichten begründet, aber im Verlauf des Krieges wurde Spanien zum Schauplatz ideologischer Reibungen und Kämpfe, die in ganz Europa allgegenwärtig waren.1
Der spanische Krieg war hochkomplex: dutzende Konfliktlinien überlappten sich, deren Wurzeln sozialer, nationaler oder religiöser Natur waren. Trotz einiger Ausnahmen – das Gros der baskischen Nationalisten war beispielsweise katholisch-konservativ ausgerichtet, kämpfte aber geschlossen im antifaschistischen Block –, war der Konflikt in der weltweiten Wahrnehmung schon in der Entstehungsphase ausschließlich in einem Schwarz-Weiß-Muster gedeutet worden: als dichotomer Kampf zwischen »links« und »rechts«, zwischen Antifaschismus und Faschismus.
Seit 1922 regierte Benito Mussolini in Italien, seit 1933 Adolf Hitler in Deutschland. Die liberale und linke Weltöffentlichkeit war entsetzt, daß nun, 1936, mit Spanien ein weiteres Land ins Lager des Faschismus und Nationalsozialismus überzugehen drohte. Was in aktivistischen linken Milieus von Berlin bis London folgte, war eine große Begeisterungswelle für die republikanische Sache. Deren roter Terror gegen Kapitalisten und Feudalherren, vor allem aber auch gegen katholische Priester, Nonnen und weitere Kirchenvertreter, war noch nicht entfesselt, während die Hoffnung auf einen für Europa richtungsweisenden Sieg über rechtsautoritäre Strömungen den Höchststand erreichte (¡No Pasarán! wurde zur Losung: »Sie [= die Faschisten] kommen nicht durch«).
35 000 Kämpfer meldeten sich in diesem Zuge freiwillig zu den »Internationalen Brigaden« und 5000 weitere Ausländer, darunter George Orwell (bei den nichtstalinistischen Kommunisten der Arbeiterpartei POUM) dienten in unabhängigen Milizen, die den heterogenen spanisch-katalanisch-baskischen Linksblock aus Republikanern, Anarchisten, Syndikalisten, gemäßigten Sozialisten, Linkssozialisten, Trotzkisten und stalinistischen Kommunisten stärkten. Deren Geschichte wird allerorten geschrieben2 (und gesendet!3), während bis heute in bezug auf die nationalspanische, »rechte« Seite lediglich Mussolinis und Hitlers Truppen Erwähnung finden – die Tausenden Freiwilligen aus zahlreichen Ländern werden systematisch verschwiegen.4
Das liegt nicht nur an dem Sieg der Franco-Truppen, der nach 1939 ein autoritäres, kapitalistisches und nationalistisches Regime ermöglichte; nicht nur an den politischen Vorlieben vieler Journalisten und Historiker, die zweifellos den antifaschistischen Desperados der verlorenen Sache galten und gelten; nicht nur an der Popularisierung literarischer Klassiker wie Mein Katalonien von George Orwell, Die Hoffnung von André Malraux oder Wem die Stunde schlägt von Ernest Hemingway (während die Romane der Gegenseite keine Erwähnung finden5). Denn die frühzeitig und nachhaltig vollzogene Fixierung des internationalen Moments als genuin republikanischer Besonderheit lag ebenso an der Geschichtsschreibung des Franco-Regimes selbst. Denn der Caudillo höchstpersönlich relativierte den Einsatz der ausländischen Freiwilligen, um den Triumph im Bürgerkrieg als Sieg der Spanier über externe (meist: Moskauer) Machtfaktoren umzudeuten: Franco ließ schlichtweg nicht zu, daß in spanischen Geschichtsbüchern Entsprechendes gelehrt wurde.6 Dabei waren auf nationaler Seite etwa 13 Prozent aller Kämpfer nichtspanischer Herkunft, während die Quote bei den oftmals als »internationalen« Streitkräften wahrgenommenen Republikanern lediglich 2,2 Prozent betrug.7
Die nationalspanische Seite war also nicht nur heterogen (von königstreuen Carlisten über katholische Nationalliberale bis hin zu sozialrevolutionären Ur-Falangisten), sondern auch multinational zusammengesetzt; neben 15 000 Deutschen und 80 000 Italienern – hier die Legion Condor, dort das Corpo Truppe Volontarie – verzeichnete man die stattliche Zahl von 90 000 weiteren ausländischen Soldaten. Etwa 78 000 Marokkaner aus dem spanischen Kolonialgebiet schlossen sich der nationalen Erhebung an. Die weiteren 12 000 Freiwilligen setzten sich vielfältig zusammen. Im folgenden soll daher ein nach Ländern bzw. Ländergruppen gegliederter Überblick gewährleistet werden, der Auskunft gibt, aus welchen Nationen welche Menschen mit welchen Motiven aufbrachen, um unter Spaniens Sonne ihr Leben zu riskieren.
Marokko
Daß 78 000 muslimische Marokkaner aufs spanische Festland zogen, um den häufig propagandistisch als Kampf zwischen »Christ« und »Antichrist« (Nationalspanien gegen Rotspanien) beschriebenen Konflikt ihrer Kolonialherren zugunsten der nationalspanischen, katholischen Seite zu beeinflussen, kann nur auf den ersten Blick als verwunderlich beschrieben werden. Beim zweiten Blick wird deutlich, daß es ein ganzes Bündel an Motiven gab, als Marokkaner in Spanien zu kämpfen. Erstens schlug zu Buche, daß sich die ökonomische Situation vieler Marokkaner belastend gestaltete. Der offerierte Sold seitens der Franco-Truppen war verlockend.
Zweitens hofften die politischeren unter den Freiwilligen, daß ein Sieg der Nationalspanier mit Waffenhilfe Marokkos zu einer Dankbarkeit führen wird, die wiederum größere Autonomiespielräume für das eigene Vaterland ermöglichen könnte. Den Rotspaniern traute man den Sieg derweil nicht zu, da man in Marokko gesehen hatte, wie die spanischen Kolonialtruppen – deren bekanntester Soldat ebenjener Franco war – und die elitäre spanische Fremdenlegion (Motto: Es lebe der Tod!) annähernd ohne größere Gefechte erfolgreich gegen die Republik revoltierten und die nationale Erhebung stützten. Aus dezidiert marokkanischer Perspektive mußte man annehmen, daß dies auch in Spanien selbst nicht viel anders sein könnte. Drittens spielte dann tatsächlich die religiöse Komponente eine größere Rolle. Die Marokkaner waren keine Christen, fühlten sich aber ihrer monotheistischen Konkurrenz verbunden in dem Bestreben, den als atheistisch bis gotteslästerlich wahrgenommenen Kommunismus zu zerschlagen – bevor er via einer eventuellen spanischen Revolution gar nach Marokko vorstoßen würde, um auch dort die religiöse Substanz zu unterminieren oder zu bekämpfen.
Das war in den Augen gläubiger Sunniten die größere Gefahr als eine weitere Hegemonie des »alten« christlichen Spaniens, das auf Mission und Bekehrung der Bevölkerung ja weitgehend verzichtete. Viertens – und dieser Aspekt mag die Befürworter der »antifaschistischen« Seite des Bürgerkrieges verwundern – fanden sich die Marokkaner zunehmend rassistisch beschrieben, und zwar seitens der republikanischen Presse, die nach Beginn des Krieges und den ersten marokkanischen Freiwilligen auf der Franco-Seite das Stereotyp blutlüsterner afrikanischer Mörder zeichneten, deren barbarische Natur mit der barbarischen Natur der »Faschisten« korrelieren würde. Dies verstärkte nur die Abneigung weiter Teile der marokkanischen Bevölkerung gegenüber der Regierung in Madrid und ihren Milizen.
Es war also keineswegs die Attraktion republikanisch-emanzipatorischer Menschlichkeit, die ab 1938 das Abebben des marokkanischen Stroms in die Reihen der Franco-Truppen bewirkte. Vielmehr war es die regelrechte Verheizung der nordafrikanischen Einheiten an heiklen Frontabschnitten, die für Ernüchterung sorgte. Die meist tapfer bis fanatisch kämpfenden Marokkaner, die für manche herbe Niederlage der Republikaner – aber auch für manches Massaker – verantwortlich waren und so ihren Anteil am Sieg Francos leisteten, erlitten heftige Verluste: mehr als zehn Prozent starben im Kampf, mehr als die Hälfte der 78 000 Mann starken Freiwilligenarmee wurde verwundet.8 Am Statut Spanisch-Marokkos endete der Kriegsausgang indes wenig: Erst 1956 wurde das Königreich Marokko unabhängig von seinen Kolonialmächten Frankreich und Spanien.
Portugal
Mit 8000 Portugiesen stellten die iberischen Nachbarn das zweitgrößte Freiwilligenkontingent auf nationalspanischer Seite. Entgegen einer naheliegenden Annahme lag dies nicht an der Mobilisierung durch den nationalkatholischen, autoritären Staatschef António de Oliveira Salazar für seine etwaigen Gesinnungsgenossen in Spanien. Das Gegenteil ist der Fall.
Das Gros der freiwilligen Portugiesen bestand aus Aktivisten des »Movimento Nacional-Sindicalista«, der nationalsyndikalistischen, gewissermaßen »linksfaschistischen« Bewegung, die sich 1935 gegen den auf Militär, Kirche und Feudalstrukturen bauenden Salazar und seine Vision eines dem Wesen nach apolitischen Ständestaats erhob. Ein Jahr vorher wurden die »Blauhemden« im Estado Novo Portugals verboten, da man deren Synthese aus sozial- und nationalrevolutionären Ideen, die sich gleichermaßen gegen Kommunismus, Kapitalismus und rechtsautoritäre »Reaktion« wandte, ebenso fürchtete wie ihre durchschlagende Anziehungskraft auf junge Menschen, die das radikal Neue suchten. Ein opportunistischer Teil der Nationalsyndikalisten ging mit dem Verbot 1934/35 in der Einheitspartei »União Nacional« auf, während die weltanschaulichen und organisatorischen Kader um Francisco de Barcelos Roláo Preto es vorzogen, ins spanische Exil auszuweichen. Sie suchten die Nähe zu ihren spanischen nationalsyndikalistisch-falangistischen Gesinnungsgenossen, die sich an den Ideen José Antonio Primo de Riveras orientierten, und bildeten eine starke Einheit (»Viriato-Legion«), die bis zum Ende des Krieges an der Front eingesetzt wurde und – ähnlich den Marokkanern – starke Verluste erleiden mußte.
Salazar selbst verhielt sich wohlwollend neutral zugunsten Francos. Er duldete propagandistische Tätigkeiten der Nationalspanier auch in Portugal, verabscheute die rotspanische Republik, und ließ zu, daß – neben den Nationalsyndikalisten – auch einige wenige militante katholische Portugiesen und ökonomisch Getriebene – Söldner – nach Spanien zogen. Eine klare Parteinahme war sicherlich seine Erlaubnis den Deutschen gegenüber, Waffen über Portugal nach Spanien einzuführen. Im Salazar-Militär gab es jedoch erhebliche Zweifel an der Stärke der eigenen Armee in einem eventuellen Kriegsfalle mit einer siegreichen rotspanischen Republik. Der trat bekanntlich nicht ein, statt dessen hielt sich Salazars autoritärer Staat bis zum Tod des Herrschers 1970. Als Ironie der Geschichte ist zu bezeichnen, daß der institutionelle Übergang zu einem Portugal nach Salazar auch von der monarchistischen Partei begleitet und forciert wurde: Deren Kopf war indessen Francisco de Barcelos Roláo Preto – also ausgerechnet jener ehemalige Blauhemden-Führer im Spanischen Bürgerkrieg, der nun zu seiner sozial-monarchistischen Frühphase zurückgefunden hatte und seinen alten Widersacher Salazar um sieben Jahre überleben sollte.9
Irland
Nach Marokkanern und Portugiesen, die beide durch eine geographische Nähe zu Spanien hervorstechen, waren es ausgerechnet Iren, die die drittstärkste Freiwilligeneinheit darstellten. Die Berichterstattungen im katholischen Irland über den eskalierenden Spanischen Bürgerkrieg verhalfen Eoin O’Duffy – dem ehemaligen Kader der Irish Republican Army (IRA), zeitweiligen irischen Polizeichef und späteren Führer der nationalkatholischen »Blueshirts«, die wiederum zu den faschistischen »Greenshirts« wurden10 – zu einem Comeback auf der politischen Bühne, da weite Teile der katholisch geprägten irischen Gesellschaft angesichts der antiklerikalen Exzesse der Rotspanier eine klare Positionierung zugunsten der nationalen Rebellion forderten.11
In Spanien, wo selbst gemäßigte linke Republikaner eliminatorisch verkündeten, daß Spanien aufgehört habe, katholisch zu sein12, wurde die überwiegend positive Haltung der irischen Bevölkerung zu den konservativen und rechten Putschistengruppen durchaus wahrgenommen. Ein spanischer Graf ließ O’Duffy kontaktieren und bat um irische Beteiligung. Die erste Gruppe irischer Freiwilliger verließ Dublin daraufhin am 13. November 1936, die zweite Gruppe mit O’Duffy folgte eine Woche später und führte die Fahne der Freiwilligenbrigade mit sich: ein smaragdgrünes Tuch mit einem roten Kreuz in der Mitte, das mit der Aufschrift In Hoc Signo Vinces (dt. In diesem Zeichen wirst Du siegen) versehen wurde.13 Insgesamt befanden sich auf nationalspanischer Seite damit fast 700 Iren. Wer vor dem Bürgerkrieg politisch war, war im Regelfall bereits vorher Sympathisant von O’Duffys Blau- bzw. Grünhemden. Eine Handvoll kam aber auch aus dem katholischen Flügel des linksnationalistischen IRA-Lagers. Der soziale Hintergrund war dabei verschieden, die Spannbreite reichte von Offizieren über Studenten bis hin zu ungelernten Arbeitern, Bauern und Schülern.14
Die erfolgreich bewältigte militärische Prüfung für die Iren bestand im entschlossenen Vertreiben eines englischen Panzerzugs der Internationalen Brigaden im März 1937 an der bedeutenden Front in Süd-Madrid, so daß deren Durchbruch verhindert werden konnte. Zuvor kam es allerdings zu einigen Fehlschlägen der Irischen Brigade, darunter war auch ein verlustreiches Gefecht mit einer (verbündeten) kanarischen Einheit, da sich beide Lager für rotspanische Kräfte hielten.
Neben solchen Vorfällen sorgten auch eine Krankheitswelle und interne Konflikte im Sommer 1937 zu einem Abbruch der Intervention im Spanischen Bürgerkrieg. Fast alle Iren kehrten auf die Grüne Insel zurück, etwa ein Dutzend blieb vor Ort und kämpfte zum Teil bis Kriegsende in anderen Einheiten der nationalen Streitkräfte. Der Beitrag der Iren zum Spanischen Bürgerkrieg ist somit »äußerst gering« geblieben.15 Dessen ungeachtet zeigte sich Eoin O’Duffy überzeugt, daß die Intervention in Spanien als symbolischer Akt des irisch-katholischen Widerstands gegen die Barbarei des »Weltkommunismus«16 nötig war, als etwas, das getan werden mußte: »Wir sind kritisiert, verspottet und verleumdet worden, aber Wahrheit, Nächstenliebe und Gerechtigkeit werden sich durchsetzen, und die Zeit wird unsere Motive rechtfertigen. Wir suchen kein Lob. Wir leisteten unsere Pflicht. Wir gingen nach Spanien.«17
Ein Umstand, der in diesen Tagen, rund 80 Jahre nach Beginn des Spanischen Bürgerkriegs, in Irland und Spanien gleichermaßen dem Vergessen anheimgefallen ist. Nur eine kleine Gedenktafel auf einer Kirchenbank in der Kathedrale von Dublin erinnert beispielsweise heute noch an den jungen O’Duffy-Gefolgsmann Gabriel Lee, der südlich der Hauptstadt Madrid im Kampf gegen die Internationalen Brigaden fiel.
Frankreich
Das militärische Material, das die Iren in Spanien zurückließen, wurde an eine französische Freiwilligeneinheit weitergegeben, die sich im Sommer 1937 formierte und sich »Bandera Jeanne d’Arc« nannte. Diese Einheit umfaßte maximal 400 Personen, wobei etwa die Hälfte von ihnen bereits vor der Konstituierung der Jeanne d’Arc in den Reihen der spanischen Fremdenlegion oder bei den Carlisten kämpfte. Die politische Sozialisation der französischen Kombattanten war so heterogen wie das französische rechte Milieu jener Zeit: Katholische Monarchisten der Action Française kämpften neben Aktivisten der durchaus rechtsterroristischen Struktur der Cagoule (Kapuze), Anhänger des rechtsreformistisch-patriotischen Bundes Croix de Feu (Feuerkreuz) neben sozialrevolutionären Faschisten des Parti Populaire Français (Französische Volkspartei).
Wie vielfältig und widersprüchlich zusammengesetzt die französische Einheit war, wird bereits an einer Person deutlich. Sylvain Roussilon hat in seiner Schrift über Franco-Freiwillige18 deshalb auf Michel de Camaret hingewiesen, der einer der bekanntesten französischen Spanienkämpfer war. So war dieser bei den Camelots du Roi aktiv, den militanten Jugendlichen der Action Française, bevor er sich zunächst den Carlisten in Spanien anschloß, dann eben der Bandera Jeanne d’Arc, um sich im Zweiten Weltkrieg der Exilarmee des Generals de Gaulle gegen die Deutschen und ihre Verbündeten anzuschließen. Er trat während der Libération 1944/45 gemeinsam mit linken Partisanen in Erscheinung gegen die Kollaborateure (von denen einige in Spanien auf seiner Seite kämpften), bevor er sich in der Nachkriegszeit dem Front National anschloß und 1984 gar für diese Partei ins Europaparlament gewählt wurde.
Allein dieses Beispiel zeigt, wie widersprüchlich und sprunghaft das Zeitalter der Extreme auch für die französische Rechte und ihre Aktivisten verlaufen ist; die Begeisterung für den Kampf gegen die linke Republik in Spanien wurde bei ganz unterschiedlichen Charakteren geweckt, und wer 1939 als französischer Nationalist mit Franco jubelte, konnte 1940 für oder gegen Hitler und Mussolini erneut ins Felde ziehen und seine ehemaligen Weggefährten von nun als Todfeinde bekämpfen.
Diese Begeisterung der französischen Rechten für die nationalspanische Seite war zwar groß, doch jene der französischen Linken für die rotspanische Seite größer. Etwa 8500 Franzosen zogen über die Pyrenäen, um sich den Internationalen Brigaden oder den Anarchosyndikalisten in Barcelona anzuschließen; etwa 1000 von ihnen fielen.19
Österreich
Auch aus Österreich gab es Freiwillige, die sich dem nationalen Lager anschlossen. Sie finden zwar bei Christopher Othen – dem Historiograph der Franco-Freiwilligen – keine Erwähnung. Aber dank einer Forschungsarbeit eines jungen Grazer Historikers ist nun auch über diese Geschichte einiges bekannter geworden.20
Insgesamt kann man wohl von 140 Österreichern auf nationalspanischer Seite ausgehen, bei denen Motive und Hintergründe stark voneinander abwichen. Eine Fraktion rekrutierte sich aus der österreichischen Exilgemeinschaft in Spanien, eine weitere war nationalsozialistisch motiviert, während sich eine dritte – im weitesten Sinne – aus dem Heimwehrlager zusammensetzte.
Die Fraktion der bereits bei Ausbruch des Krieges in Spanien weilenden Österreicher schrumpfte durch Rückkehr ins Heimatland auf wenige hundert Personen. Der Riß durch die in Spanien bleibenden Österreicher teilte auch diese Gemeinschaft in Sympathisanten des nationalen Aufstands und Verteidiger der Republik. Jakob Matscheko urteilt anhand der Akten, daß die Sympathienverteilung nicht exakt nachgewiesen werden könne, daß aber einige Personen hervorstachen. Matscheko führt beispielsweise Wilhelm Wakonnig an. Der reiche Unternehmer war im Baskenland aktiv und versuchte sich als Informationszuträger an die nationalspanische Seite. Er wurde bereits im Eskalationsmonat November 1936 von Rotspaniern »enttarnt«, verhaftet und hingerichtet. Ein weiteres markantes Beispiel der Spanien-Österreicher ist Ferdinand Becher. Nachdem er mit seiner Mutter aus Spanien nach Österreich floh, ging er wenig später alleine zurück nach Spanien. Er kämpfte dort allerdings nicht in einer internationalen Einheit und ebensowenig auf deutscher Seite im Rahmen der Legion Condor: Becher konnte aufgrund seiner spanischen Sprachkenntnisse direkt in der Kaderleitung der Falange aktiv werden.21 Leider ist nichts über seinen weiteren Werdegang bekannt.
Die zweite und stärkste Fraktion – sie umfaßte etwa 100 Männer – stammte aus dem NS-orientierten Lager. Die »Österreichische Legion«, die sich aus österreichischen Nationalsozialisten zusammensetzte, die nach Deutschland emigrierten und sich bei Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs dort aufhielten, war der Pool, aus dem sich fast alle österreichischen Franco-Freiwilligen rekrutierten. Als der Krieg 1939 beendet war und der »Anschluß« mittlerweile vollzogen war, konnten sie nach »Großdeutschland« zurückkehren – viele von ihnen waren in Spanien ohnehin Teil der (reichsdeutschen) Legion Condor geworden, darunter auch der populäre Schriftsteller Anton Zischka.
Die dritte und kleinste Fraktion kam aus dem monarchistisch und katholisch gesinnten Milieu, das der Heimwehr nahestand. Der bekannteste Protagonist war der Diplomatensohn und christlich-konservative Monarchist Johann Jacob Revertera, der seit den 1920er Jahren zwischen Österreich und Spanien pendelte und eine spanische Frau ehelichte, die Teil der Sección Feminina der Falange war. Ihre Schwester wiederum war mit dem Bruder von José Antonio Primo de Rivera verheiratet. Der Österreicher Revertera hatte so eine verwandtschaftliche Beziehung zum Gründer der Original-Falange. Wenige Wochen nach Kriegsbeginn stellte er aus seinen Angestellten und deren Umfeld eine eigene Einheit innerhalb der Falange-Miliz zusammen, die bis Kriegsende an Kampfeinsätzen teilnahm. Zu den Österreichern in der Legion Condor hatte er derweil keine Berührungspunkte, ebensowenig wie einige österreichische »Austrofaschisten«, die in der spanischen Fremdenlegion dienten.
Rußland
Wenn der Spanische Bürgerkrieg von Antikommunisten als Chance wahrgenommen wurde, eine »zweite Sowjetunion« zu verhindern, so war es keine Überraschung, daß gerade auch Russen, die den Schrecken des bolschewistischen Regimes entkommen waren, nach Spanien blickten. Die Angaben, wie viele es tatsächlich waren, schwanken. Zwischen 80 und 150 Exilrussen, vornehmlich aus Paris (wo 100 000 Russen lebten) und Belgrad, sollen es gewesen sein, von denen man weiß, daß sie fast ausnahmslos aus der monarchistischen Russischen All-Militärischen Union stammten, und daß einige von ihnen russisch-orthodoxe Priester gewesen sind. Sie dienten in keiner eigenen »weiß-russischen« Brigade oder ähnlichem, sondern teilten sich auf unterschiedliche Einheiten der nationalspanischen Streitkräfte auf.
Kämpften einige Dutzend in der Fremdenlegion, schlossen sich andere den katholisch-monarchistischen Carlisten an. In der Fremdenlegion trafen die Russen auch auf einige Freiwillige aus dem Baltikum, die sich jedoch bewußt von den russischen Nationalisten fernhielten. Ob es nun 80 oder 150 Russen waren: Überliefert sind 34 Tote, was bedeutet, daß bis zu einem Drittel aller Russen im Kampfe gefallen sind. Historiker haben überliefert, daß viele der betont aristokratischen Russen, die noch im Geist des ungefährdeten Zarenreichs der Jahrhundertwende lebten, sich angeblich schlichtweg weigerten, in Schützengräben in Deckung zu gehen.22
Rest der Welt
Neben diesen Freiwilligen aus den genannten Ländern kämpften Hunderte weitere Soldaten auf nationalspanischer Seite.
Aus Rumänien kam Ion Moţa mit einer Handvoll Getreuen nach Spanien. Moţa war einer der engsten Vertrauten des Anführers der Legion Erzengel Michael bzw. deren Kern, der Eisernen Garde. Als internationaler Beauftragter der Legion besuchte er die Veranstaltungen der universal-faschistischen CAUR23 und vertrat den »Căpitan« Codreanu im Ausland. Nach Beginn des Spanischen Krieges, der in der Legionärspresse als Kampf gegen den weltumfassenden Bolschewismus dargestellt wurde, meldete sich Moţa freiwillig. Er fiel mit seinen Kameraden bei einem Gefecht nördlich von Madrid Anfang 1937.24
Aus Großbritannien zogen nachweislich bis zu einem Dutzend Nationale nach Spanien. Zwei Engländer dienten etwa in der Irischen Brigade, drei weitere gingen unterschiedliche Wege. Peter Kemp kam aus dem konservativ-antikommunistischen bürgerlichen Milieu und schloß sich den carlistischen Elitesoldaten der Requétes an. Nichts gemein hatte er mit den beiden Faschisten Charlie Smith und Peter Keen. Entgegen des Diktums ihres Parteichefs Sir Oswald Mosley im Rahmen der British Union of Fascists (BUF), wonach der Spanische Bürgerkrieg ein Konflikt des 19. Jahrhunderts verkörpere, der es nicht wert sei, daß britisches Blut vergossen würde, meldeten sich beide bei der Falange und schlossen sich einer ihrer Milizen an.25
Wenig bekannt sind die konkreten Hintergründe zahlreicher weiterer Freiwilliger. Man geht von bis zu 100 Polen der nationalradikalen Organisation Falanga aus, die sich namentlich an der spanischen Falange José Antonio Primo de Riveras orientierte, inhaltlich indes eher katholisch, antideutsch und nationalistisch ausgerichtet war als an den Ideologemen des national- und sozialrevolutionären spanischen Originals; ferner Klein- und Kleinst-Gruppen aus Skandinavien (darunter der norwegische Schriftsteller Per Imerslund), Belgien (eine Handvoll wallonischer Nationalisten und ebenso wenige Rexisten) und Griechenland – ja selbst aus den USA, den Philippinen und der Türkei kamen Einzelpersonen nach Spanien, um aus unterschiedlichsten Motiven heraus gegen die spanische Republik und für die nationale Erhebung zu kämpfen, ohne – anders als die etwa 500 süd- und mittelamerikanischen Freiwilligen auf Francos Seite – direkte Bezüge zur Iberischen Halbinsel aufzuweisen.
Nationalistische Internationale? – Fazit
Der Spanische Bürgerkrieg als Präludium zum Zweiten Weltkrieg war wie letzterer zuallererst ein ideologischer Krieg. Sämtliche Geistesströmungen, die gängigerweise »rechts« verortet werden können – von katholischem Konservatismus über Neo-Royalismus bis hin zum sozialrevolutionären Faschismus – versammelten ihre Truppen gegen sämtliche Geistesströmungen, die »links« etikettiert werden können – von reformorientierter Sozialdemokratie über Sozialisten und Marxisten jeder Couleur bis hin zu Anarchosyndikalisten. Beide Seiten zogen dabei Freiwillige an, die aus der ganzen Welt nach Spanien drängten. Während die Akteure auf rotspanischer Seite im historischen Bewußtsein dominant sind, sind ihre internationalen Gegner auf nationalspanischer Seite der Damnatio memoriae verfallen.
Der vorliegende kurze Streifzug durch die Welt der Freiwilligen sollte zeigen, daß die Internationalität der Streitkräfte auch auf »rechter« Seite zu den unumstößlichen Gewißheiten des Spanischen Bürgerkrieges zählte. Daß General Franco nach dem Sieg über die Republik die Geschichtsschreibung genau dieses Faktum relativieren ließ, überrascht nicht bei einem Charakter, der in jeglicher Hinsicht in den Denkbahnen des 19. Jahrhunderts verankert war. Franco wollte die sozialen und wirtschaftlichen Hierarchien der Übergangszeit zwischen Feudalismus und Kapitalismus restaurieren, baute fest auf ländliche Grundbesitzer und den Klerus. Dabei hatte er auf die Probleme durch die mannigfaltigen Widersprüche innerhalb der Gesellschaft häufig nur repressive Antworten. Die fehlende geistige Offenheit für die Erfordernisse einer neuen Zeit ist darauf zurückzuführen, daß er sich in seinem klassisch militaristischen und nationalistischen Weltbild keine Alternative, etwa eine Synthese rechter und linker Theoreme, vorstellen konnte.
Daß der charismatische Gründer der die Pole »links« und »rechts« dialektisch aufhebenden Ur-Falange, José Antonio Primo de Rivera, 1936 von antifaschistischen Kräften hingerichtet wurde (wie auch das Gros seines Umfelds), kam Franco insofern zupasse, als somit sein potentiell stärkster künftiger Konkurrent innerhalb der spanischen Rechten beseitigt wurde. So hinderte ihn niemand – vor allem nicht die weltanschaulich entkernte neue Einheitspartei der Falange Española Tradicionalista y de las JONS – daran, den nötigen Aufbruch in ein neues Zeitalter mit dem versuchten Rückzug in ein verronnenes zu beantworten. Daß die internationalen Freiwilligen oftmals aus nationalrevolutionären Kreisen stammten, aber mit ihrem Einsatz zu einer nationalreaktionären Rollback-Politik beitrugen, ist insofern ein tragischer Aspekt dieser an Tragik ohnehin so reichen blutigen Epoche.
Pierre Drieu la Rochelle, der den europäisch-revolutionär gesinnten Spanienkämpfern auf nationaler Seite mit seinem umfassenden »Epilog« im bereits angeführten Roman Die Unzulänglichen ein literarisches Denkmal setzte, rechnete mit dieser nationalchauvinistischen Wende einer weiteren großen Nation nach Deutschland und Italien. Die zentrale polittheoretische Diskussion in besagtem Epilog wird denn auch zwischen einem Polen, einem Iren und einem Belgier auf nationalspanischer Seite geführt, nicht zwischen einem Spanier, einem Deutschen und einem Italiener (ebendort). »Der Nationalismus ist überholt«, plädiert eine der drei Figuren Drieus, bevor der französische Schriftsteller sie alle einen »patriotischen europäischen Geist« jenseits der nationalen Enge fordern läßt. Dieser Geist entstand indes nicht in den Schützengräben des nationalen Spaniens, in denen – trotz allem und entgegen heute noch gängiger Stereotype – in Dutzenden Sprachen kommuniziert wurde.
1. Vgl. Gerald Brenan: Die Geschichte Spaniens. Über die sozialen und politischen Hintergründe des Spanischen Bürgerkrieges, Berlin 1978, komprimiert bei: Carlos Collado Seidel: Der Spanische Bürgerkrieg. Geschichte eines europäischen Konflikts, 3. Aufl., München 2016, S. 10–61.↩
2. Einführend (und bei ideologischer Sympathie für den Gegenstand verfaßt): Angela Berg: Die internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939, Essen 2005.↩
3. Im Oktober 2016 strahlte der deutsch-französische TV-Sender ARTE eine sehenswerte Dokumentation aus, vgl. http://www.arte.tv/guide/de/058378-000-A/vom-kampfen-und-sterben-der-internationalen-brigaden?country=DE.↩
4. Vgl. zuletzt Julia Macher: Der Pakt des Schweigens, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 7/2016, S. 102–110. Auch Macher beschreibt die ausländische Beteiligung am Spanischen Bürgerkrieg so, als ob es auf nationalspanischer Seite jenseits deutscher und italienischer Einheiten keine Freiwilligenkontingente gegeben hätte.↩
5. Nicht zuletzt der große Weltanschauungsroman Die Unzulänglichen von Pierre Drieu la Rochelle muß hier angeführt werden. Er liegt seit Ende 2016 in einer neuen Fassung des Jungeuropa Verlags vor (Dresden 2016).↩
6. Vgl. Christopher Othen: Franco’s International Brigades. Adventurers, Fascists, and Christian Crusaders in the Spanish Civil War, New York 2013, S. 280.↩
7. Vgl. ebd., S. 7.↩
8. Zu Marokkanern auf nationalspanischer Seite, vgl. insb. ebd., S. 18, 225–234, 262.↩
9. Vgl. ebd., S. 281.↩
10. Einführend Benedikt Kaiser: Der anglo-irische »way of fascism«, in: Neue Ordnung IV/2011, S. 28–32, weiterführend: ders./E. Fröhlich: Phänomen Inselfaschismus. Blackshirts, Blueshirts und weitere autoritäre Bewegungen in Großbritannien und Irland 1918–1945, Kiel 2013.↩
11. Vgl. Maurice Manning: The Blueshirts, Dublin 1987, S. 200.↩
12. So ein Ausruf Manuel Azañas, seines Zeichen immerhin Präsident (!) der spanischen Republik. Zit. n. Alexandre Froidevaux: Klassenkampf in Spanien und ein internationaler Konflikt, in: ders. (Hrsg.): 80 Jahre danach. Der Spanische Bürgerkrieg 1936–1939. Die spanische Gesellschaft und deutsche Interventionen, Berlin 2016, S. 4–12, hier 4.↩
13. Vgl. Fearghal McGarry: Eoin O’Duffy. A Self-Made Hero, New York 2005, S. 294.↩
14. Vgl. Ebd., S. 289. – 150 Iren, vor allem IRA-Linke und Kommunisten, kämpften demgegenüber unter O’Duffys Gegenspieler Frank Ryan in Reihen der Internationalen Brigaden. Vgl. Othen, Franco’s International Brigades, S. 126.↩
15. Antony Beevor: Der Spanische Bürgerkrieg, München 2008, S. 253.↩
16. Eoin O’Duffy, Crusade in Spain, London 1938, S. 248.↩
17. Ebd., S. 249.↩
18. Vgl. Sylvain Roussillon: Les Brigades internationales de Franco, Versailles 2012.↩
19. Othen, Franco’s International Brigades, S. 183.↩
20. Jakob Matscheko: Auf Francos Seite. Österreicher in den Reihen der Faschisten im Spanischen Bürgerkrieg, Wien 2015.↩
21. Vgl. ebd., S. 126.↩
22. Vgl. ebd., S. 28–30, und Othen, Franco’s International Brigades, S. 155–164.↩
23. Vgl. Benedikt Kaiser: Faschismus universal. Aus Italien in die Welt?, in: Neue Ordnung II/2014, S. 29–34.↩
24. Vgl. Oliver Jens Schmitt: Căpitan Codreanu. Aufstieg und Fall des rumänischen Faschistenführers, Wien 2016, S. 239 f.↩
25. Vgl. Othen, Franco’s International Brigades, S. 74 f., 201, 211, 278.↩