Günter Maschke war ein freier Geist. Ihn zeichnete all das aus, was dem real existierenden Intellektualismus und dem von ihm zubereiteten »geistigen« Klima in der zweiten deutschen Republik am meisten fehlt: innere Unabhängigkeit, kluge Belesenheit, Wirklichkeitssinn, Mut und die Fähigkeit, die Dinge auch dann zu Ende zu denken, wenn das herrschende Juste Milieu die Mundwinkel nach unten zu ziehen sich bemüßigt fühlt oder wenn gar »Beifall von der falschen Seite« droht.
Die beati possidentes des Status quo, die gerne lau atlantisch baden und die die fremdbestimmten Machtverhältnisse in Großwestdeutschland anbeten, hat er nicht nur verachtet, er hat sie aufrichtig gehasst. Ja, er konnte hassen, wie nur einer zu hassen imstande ist, der in seinem Herzen die Liebe zu einem anderen Deutschland, einem blütenumkränzten Hölderlindeutschland mit lachenden Kindern und ohne Reeducation-Verwüstungen, noch nicht BRDigt hat. Hinter der Fassade seines grandiosen publizistischen Esprits konnte der Menschenkenner das Antlitz eines Mannes entdecken, der unter den traurigen Verhältnissen seines Vaterlandes, aber auch insgesamt unter der »Zermalmungs- und Zerbröselungsmaschine der modernen Welt« (Maschke dixit) litt wie ein Hund.
Wenn die Dichter, wie der von Maschke bewunderte Gottfried Benn in seiner Totenrede auf Klabund formuliert hat, »die Tränen der Nation« sind, dann war Günter Maschke ein Schriftsteller, der die beklagenswerte politische Wirrnis der Deutschen wie kaum ein anderer auf den Punkt gebracht hat. Sollten die Deutschen doch noch die Kraft aufbringen, ihren Urlaub von der Geschichte zu beenden, um wieder als selbständige Figur auf dem Schachbrett der Politik aufzutreten, dann werden sie auf das geistige Rüstzeug der Marke Maschke nicht verzichten können.
Ich selbst verliere mit Günter Maschke einen liebenswerten Freund, dessen Charme man sich bei seinen Langstreckengesprächen durch die europäische Geistesgeschichte kaum entziehen konnte. Unsere über 36 Jahre währende und von gegenseitigem Vertrauen geprägte Freundschaft wurde nicht von einer einzigen Wolke überschattet. Marcel Proust sagt, dass alle Paradiese verlorene Paradiese sind, und doch wird mir Günter Maschkes Tod die Erinnerung an die Sonnenstrahlen seiner Freundschaft nicht rauben. Seinen feinen Charakter und seine noble Haltung werde ich nicht vergessen. In seinem Geist weiter für die Zukunft unserer geschundenen europäischen Heimat zu arbeiten, bleibt mir Verpflichtung.
(Autor: Thor v. Waldstein)
Ein Gedanke zu „Nachruf – Thor v. Waldstein über Günter Maschke“