Warum »Enklave«? Volker Zierke über seine Novelle

It was an April morning when they told us we should go/ As I turn to you, you smiled at me/ How could we say no? Diese Sätze sind nicht nur der Auftakt zu Led Zeppelins Monumentallied »Achilles Last Stand« aus dem Jahr 1976, sondern sie sind gleichermaßen die musikalische Einleitung zu Enklave, meinem ersten Buch. Es ist der Moment, in dem der Held Achilles aufgefordert wird, sich dem Kriegszug nach Troja anzuschließen. Voller Vorfreude über das kommende Abenteuer begibt sich der Heros mit tausenden Gesichtern ins Unbekannte. Es ist eines der Leitmotive in Enklave; der Aufbruch ins Abenteuer, die Lust am Erkunden, die Freude am Spiel, der Reiz der Gefahr. 

Wenn ich die rechte Literatur der letzten Jahre über einen Kamm scheren müsste, so bliebe ich als desillusionierter, verbitterter und wütender Leser zurück. Wirft man nämlich einen Blick auf das, was die Patrioten-Massen heutzutage begeistert, dann fragt man sich nach dem Grund für die Begeisterung am eigenen Untergang. Enklave ist anders. 

Kein Waldgang

Auch im persönlichen Gespräch merkt man, dass Dystopien (1984Brave New World) in unserem Lager mehr Anklang finden als Utopien, und wenn, dann sind diese positiven Zukunftsvorstellungen eher an Konzepte aus der Vergangenheit gekoppelt. Eigenständige, wahrlich »revolutionäre« Ideen, wie ein Junges Europa als Fernziel aussehen könnte, gibt es – mit wenigen Ausnahmen, siehe Faye – nicht.

Und auch dem aufmerksamen Leser von Enklave wird aufgefallen sein, dass das Buch und vor allem seine »Interludien« weniger Antworten als Fragen über eine positive Zukunftsvision aufwerfen. Fragen allerdings, die uns wegführen vom bloßen Lamentieren über den Verlust von Bürgerrechten – und zudem nicht in der Tagespolitik verhaftet sind. 

Es gibt keinen praktikablen ästhetischen Rückgriff auf Vergangenes und vermeintlich Bewährtes, erst recht nicht in Enklave. Meint man zu Beginn vielleicht noch, sich in einer modernisierten schwelgerisch-militaristisch Version von Ernst Jüngers In Stahlgewittern zu befinden, so sollte mit jedem »Interludium« – die ja auch nur zu diesem Zweck so existieren – klarer werden, dass es sich lediglich um Projektionen und Illusionen handelt.

Das soll Enklave deutlich abheben vom Meer der müden Migranten-Bücher und eben auch von der schöngeistigen »Ästhetizismus«-Literatur, die den Bezug zur Wirklichkeit längst (absichtlich) verloren hat. 

Vielleicht können sich nach Enklave mehr junge, mehr oder minder begabte Schriftsteller aufraffen und ihre Werke der Öffentlichkeit vorstellen. Vielleicht geben diese Autoren ihrer Generation die Bücher, die sie braucht. Bücher, die inspirieren, verherrlichen und antreiben. Niemals zuvor war es so einfach, eigene Bücher zu veröffentlichen. Enklavehabe ich innerhalb weniger Monate in der ersten Jahreshälfte 2020 geschrieben und schon in der zweiten Hälfte sehe ich es veröffentlicht – eine Chance, die der offene Mainstream-Buchhandel nie geboten hätte; man denke nur an Harry Gelbs Kampf um den Stamboul Blues

Einheit über alles

Darum also Enklave. Als ich am Text schrieb, stand der Titel recht schnell fest, doch ich wägte weiterhin ab – die Alternative »Einheit« im Hinterkopf. Während »Einheit« deutlicher den quasi-militärischen Aspekt betont – und die Bedeutung des Kampfes, der Gemeinschaft und der Kampfgemeinschaft für uns – verdeutlicht Enklave die Vielschichtigkeit der einzelnen »Einheiten« besser. Der Kreuzer April und seine Besatzung bilden eine Einheit, die Legion ebenso, der Protagonist ist in sich das kleinste ungebrochene Nuklear, Fechter und er formen sich auf der Akademie zu einer Einheit, genauso wie Oberst Khyber auf der Insel Zeuthen seine Einheit sammelt. All das sind die Enklaven, der abgesteckte Raum, in dem die Regeln des Allgemeinen nicht mehr anwendbar sind, in der Chaos herrscht, wenn nicht ein Souverän die Dinge ordnet. Enklaven funktionieren in beide Richtungen, sie können gut oder schlecht sein im Sinne des Rezipienten. Sie schließen aus und sie schließen ein. 

Where truth shall unwind

Ab dem Zeitpunkt, an dem der Protagonist den Fuß auf den Boden der Insel setzt, beginnt sich – Stück für Stück – die Wahrheit zu entwinden, so wie sich hoffentlich dem Leser die Botschaft erschließt. Am Ende ist ihm klar, was er zu tun hat. Man verzeihe mir: Ich finde das eine schöne Metapher und ein gelungener Ton, mit dem Enklave endet. Es fügt sich, was sich fügen soll. Nun denn: Wer tritt als nächstes nach vorne?

Hinweis: Demnächst spreche ich mit dem Verleger Philip Stein im verlagseigenen Podcast-Format »Von rechts gelesen« ausführlicher über den Inhalt und einige der Ideen hinter Enklave, die hier nur kurz angerissen wurden.

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